Die Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (Komalen Jinen Kurdistan, KJK) hat unter der Überschrift „Lasst uns unsere Räume der Freiheit gegen die Pandemie der männlichen Gewalt aufbauen!“ eine umfassende Erklärung veröffentlicht:
Wir sind Zeuginnen der Zunahme krimineller Angriffe, die darauf abzielen, Frauen auf der ganzen Welt einzuschüchtern und ihr Streben nach Freiheit zu untergraben. Dieser schreckliche Anstieg der Gewalt gegen Frauen steht in direktem Zusammenhang mit der Krise des patriarchalen kapitalistischen Systems. Die Krise und chaotische Situation, die durch dieses auf Frauenunterdrückung basierende System geschaffen werden, stellen eine große Gefahr für Frauen in allen Gesellschaften dar. Das steigende Bewusstsein und der Kampf von Frauen sollen gebrochen werden. Daher ist es für Frauen in der ganzen Welt wichtiger denn je, eine gemeinsame Widerstandsstrategie gegen die neue Angriffswelle des Systems zu entwickeln, das maximalen Profit aus den durch die Corona-Pandemie entstandenen Bedingungen zu ziehen versucht.
Als kurdische Frauenbefreiungsbewegung, die auf dem Erbe des tausendjährigen universellen Frauenwiderstands basiert, sehen wir uns selbst als Teil der globalen Frauenbewegung. Wir fühlen uns auch für Entwicklungen außerhalb der Grenzen Kurdistans verantwortlich. Wir wissen, dass der Freiheitskampf, den wir in unseren eigenen Gebieten führen, unseren Schwestern, die Tausende von Kilometer entfernt sind, Kraft und Inspiration gibt. Denn auch wir fühlen uns durch die Organisierung und den Widerstand von Frauen in noch so abgelegenen Orten der Erde gestärkt. Diese Tatsache gilt für alle lokalen Frauenkämpfe. In der gegenwärtigen Phase kann der Kampf für die Freiheit, Gleichheit und Würde der Frauen von der lokalen Ebene zu einer Welle und zu einem riesigen Meer werden. Der Wind, der an einem Ort der Erde weht, kann eine Welle verursachen, die sich wiederum in eine Flut verwandelt. Diese enorme Synergie zwischen lokalen Entitäten des Frauenbefreiungskampfs – dessen organisierte Form wir als Demokratischen Weltfrauenkonföderalismus bezeichnen – jagt dem auf globaler Ebene organisiertem patriarchalen System förmlich einen Schrecken ein.
So wie die Freiheit von Frauen den historischen Gegenpol zum männerdominierten Ausbeutungssystem darstellt, stellt der Kampf für die Befreiung heute den Widerstand dar, der dieses System am stärksten herausfordert und den Boden, auf dem es steht, erschüttert und zerbricht. Da die Frauenfrage die Stammzelle aller gesellschaftlichen Probleme darstellt, ist die Frau auch die gesellschaftliche Einheit, in der das herrschende System den tiefsten und strukturellsten Widerspruch aufweist. Die Frauenbefreiung ist daher der einzige Bereich, in dem alle Knotenpunkte gelöst werden können, d.h. die Frage der Freiheit kann sich in ihr zu einer wirklichen Lösung entwickeln. Die Tatsache, dass sich der Krisenzustand der kapitalistischen Moderne vor allem über das Dilemma der Freiheit der Frauen – gegenüber ihrer Sklaverei – widerspiegelt, steht in direktem Zusammenhang mit dieser Wahrheit. Ebenso hängt die Tatsache, dass das globale patriarchale System einen systematischen Krieg gegen Frauen führt, mit der gleichen Realität zusammen.
Diese frauenfeindlichen Übergriffe sind heute auf das Niveau eines Feminizids gesteigert worden. Konkrete Beispiele und Anwendungen nehmen von Tag zu Tag zu. Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt sind gewalttätigen und tödlichen Angriffen von Männern, Staatskräften und organisierten Kriminellen ausgesetzt. Die Tatsache, dass die wesentlichste Pandemie männliche Gewalt und Frauenfeindlichkeit ist, war zu keinem Zeitpunkt der Geschichte so deutlich wie heute. Deshalb sollten wir uns vielmehr auf das Virus des Patriarchats konzentrieren, nämlich die männerdominierte Denkweise, die die Ursache der frauenfeindlichen Pandemie ist. Wir müssen einen fruchtbaren, transformativen Kampf vor allem für Frauen, aber auch für die gesamte Gesellschaft entwickeln. Unser Kampf und unsere Organisation müssen dazu dienen, einerseits die Frauen zu stärken und andererseits diese Mentalität zu schwächen und zu überwinden. Wir müssen dringend Kampfmethoden entwickeln, die dies sowohl indirekt als auch direkt ermöglichen. Wir sollten nicht vergessen, dass soziale Befreiung nur mit einer Revolution des Geistes möglich ist. Aus diesem Grund stehen wir vor der Aufgabe, die patriarchale Mentalität intensiver, radikaler und systematischer anzugehen.
Diese Mentalität ist in ihrem Wesen frauenfeindlich. In diesem Prozess, in dem das Streben von Frauen nach Freiheit, Bewusstsein, Kampf und Organisation zunimmt, versuchen die Vertreter dieser Denkweise, ihre Existenz durch die Entwicklung von Gegenbewegungen zu sichern. Diese neuen Bewegungen, die zu einer ernsthaften Zunahme von Gewalt gegen Frauen geführt haben, lassen sich nicht nur unter den durch die Covid-19-Pandemie geschaffenen Bedingungen erklären; vielmehr wird versucht, von der Tatsache zu profitieren, dass die Position der Frau unter den Verboten und Quarantänebedingungen der Pandemie anfälliger wird. Andernfalls, wenn wir die Zunahme selbst auf die Pandemiebedingungen zurückführen, gehen wir von einem Rückgang der Gewalt gegen Frauen mit dem Ende der Pandemie aus, was ein schwerer Fehler wäre. Die Ermittlung der Ursache des Problems ist der erste Schritt zur Entwicklung einer Lösung. Die Bedingungen sind variabel, aber was konstant ist, ist die männliche Denkweise, die ständig nach neuen Gelegenheiten sucht. In dieser Hinsicht müssen wir nicht nur die Pandemie sehen, sondern auch, wie die außergewöhnliche Zeit und die Bedingungen im Allgemeinen von den Vertretern dieser Mentalität genutzt werden, um Verbrechen gegen Frauen zu begehen.
Die Angriffe auf den Freiheitskampf der kurdischen Frauen, deren Widerstand, Organisationsgrad und Führung des revolutionären Kampfes ihre Schwestern auf der ganzen Welt inspirieren, befinden sich auf einem hohen Niveau. Besonders in Rojava, wo die Fackel der Frauenrevolution gezündet wurde, sind wir mit Gegenangriffen konfrontiert, die darauf abzielen, das Gebäude des demokratischen Systems zu zerstören. Diesmal nicht unter dem Namen IS, sondern direkt vom faschistischen türkischen Staat und seinen islamistischen Söldnern; mit der ausdrücklichen oder impliziten Unterstützung und Billigung der männlichen zwischenstaatlichen Ordnung!
Diese faschistischen Angriffe auf Frauen, die eine führende Rolle in der Revolution spielen, haben sich zuletzt am Dienstagabend in Kobanê wiederholt. Mitglieder der lokalen Koordination von Kongreya Star, dem Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Rojava, waren zu Besuch in einem zu Kobanê gehörenden Dorf, als die türkische Armee einen Anschlag gegen sie verübt hat. Bei diesem gezielten Angriff mit einer bewaffneten Drohne sind drei kurdische Frauen ermordet worden. Der türkische Staat, der nach seiner Besatzung der Städte Efrîn, Serêkaniyê [Ras al-Ayn] und Girê Spî [Tell Abyad] jetzt darauf aus ist, einen Besatzungsangriff auf Kobanê zu starten, hat bewusst Frauen ins Visier genommen. Denn Kobanê ist die Stadt, wo der IS zum ersten Mal unter führender Rolle von Frauen geschlagen worden ist. Kobanê symbolisiert die Frauenrevolution. Kobanê hat als Stadt des Widerstands allen Völkern der Erde Hoffnung und Glauben geschenkt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Luftraum über Kobanê unter russischer Kontrolle steht, wird klar, dass der türkische Staat seine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit mit Billigung von frauenfeindlichen Staatskräften führt.
Ein anderer Ort, an dem das kolonialistische türkische Regime seine frauenfeindlichen Kriegsverbrechen konzentriert, ist die Stadt Efrîn, die den westlichen Rand von Rojava und Nordsyrien darstellt. Dieser Ort ist von großer symbolischer Bedeutung für die Frauenrevolution von Rojava. Hier wurde das Ko-Vorsitzenden-System eingeführt, hier erklärte die YPJ ihre Gründung, hier gab die erste weibliche Gefallene ihr Leben. Als die türkische Armee Anfang 2018 mit NATO-Panzern und Söldnern, die die Mentalität des ISIS teilen, hier einmarschierte, haben sich weder die Internationale Koalition noch die UNO oder Russland gegen diese völkerrechtswidrigen Besatzung gewendet. In dieser Stadt und den umliegenden Dörfern, deren Bevölkerung damals fast vollständig kurdisch war, wurden ethnische Säuberungen durchgeführt. Die kurdische Sprache wurde verboten, Türkisch und Arabisch zur Amtssprache erklärt, eine sektiererische umayyadische Interpretation des Islams befohlen und die Scharia proklamiert. Während die Mehrheit der Bevölkerung Efrîns zu Binnenflüchtlingen geworden ist, kämpfen diejenigen, die ihre Häuser nicht verlassen haben, unter einem vollständigen Terrorregime ums Überleben. Dies geschieht nicht nur in Efrîn, sondern in allen Städten und Dörfern Nordsyriens, die der türkische Staat besetzt und in eine Kolonie verwandelt hat.
Die Verbrechen an Frauen, die vom türkischen Staat und seinen Söldnern verübt werden, konzentrieren sich jedoch besonders in Efrîn. Wir sind uns bewusst, dass dies kein Zufall ist, sondern vielmehr systematisch geschieht, um die Symbolstadt der Frauenrevolution in die Symbolstadt der Frauensklaverei zu verwandeln. In Efrîn werden nicht nur ethnische Säuberungen und genozidale Angriffe auf kulturelle Errungenschaften ausgeführt, sondern auch gezielt Feminizide. Kurdische Frauen und Mädchen werden von islamistischen Faschisten, die ihre Gehälter vom türkischen Staat wahrscheinlich über „EU Flüchtlingshilfe”-Gelder bekommen, entführt, als Geisel gehalten, vergewaltigt, als Sklavinnen in verschiedene Städte verkauft oder ermordet. Ihre Leichen werden in leeren Landschaften verteilt. Diese kriminellen Praktiken, denen Frauen in den besetzten Städten von Rojava und Nordsyrien -also de facto von der NATO und der UNO anerkannte türkische Kolonien- ausgesetzt sind, unterscheiden sich nicht von dem, was der sogenannte IS tut. Die Tatsache, dass die Kräfte, die damals versuchten, ihre Intervention in Afghanistan mit Frauenrechten zu rechtfertigen und zu legitimieren, zu den Verbrechen an Frauen, die unter der Kontrolle des NATO-Partners Türkei begangen werden, schweigen, enthüllt sowohl ihre Komplizenschaft als auch ihr wahres Gesicht.
Dieser Feminizid wird innerhalb der Grenzen des offiziellen türkischen Staates nach demselben Konzept, aber mit anderen Mitteln und Methoden ausgeführt. Erstarkt durch die Möglichkeit, Massenproteste aufgrund der Covid-19-Epidemie und Ausgangssperren zu verhindern, hat der türkische Staat Treuhänder für die nach dem Ko-Vorsitzenden-System verwalteten Kommunen in ernannt und die Ko-Bürgermeister*innen verhaftet. Durch eine Sonderamnestie sind massenhaft Gewalttäter aus der Haft entlassen worden. Ein neues Gesetz sieht Straffreiheit für Vergewaltiger vor, sollten sie ihr Opfer heiraten. Frauengruppen, die dagegen ankämpfen wiederum, werden kriminalisiert und ihre Vertreterinnen ins Gefängnis gesteckt. Nirgendwo auf der Welt werden so viele weibliche Aktivistinnen und Politikerinnen aufgrund ihrer politischen Arbeit als Geiseln im Gefängnis gehalten. Von gewählten Abgeordneten bis hin zu Bürgermeisterinnen, von Aktivistinnen der Zivilgesellschaft bis hin zu Friedensmüttern; Hunderte oder sogar Tausende von Frauen, die in der Türkei politische und soziale Aktivitäten ausüben, sind aufgrund ihrer Äußerungen und ihrer Gedanken im Gefängnis. Da der türkische Staat weiß, dass der gesellschaftliche Widerstand gegen das faschistische Regime von Frauen angeführt wird, versucht er, Frauen einzuschüchtern und zu blockieren, insbesondere durch Erpressung, Drohungen, Unterdrückung, Gewalt und Inhaftierung. Der türkische Staat tut dies nicht nur direkt mit seinen eigenen Kräften; er fördert alle Formen von Gewalt gegen Frauen mit seinem sozialen, politischen und wirtschaftlichen krisenhaften Umfeld sowie seine rassistische, militaristisch-frauenfeindliche Rhetorik und Politik. Infolgedessen erleben Frauenmorde und verdächtige Selbstmorde in der Türkei und Nordkurdistan einen sehr ernsten Anstieg.
Der faschistische türkische Staat, der in seinen kurden- und frauenfeindlichen Angriffen keine Grenzen kennt, konzentriert seine genozidalen Militärangriffe auf Südkurdistan (Nordirak). Generell seit 2007, besonders aber in den letzten fünf Jahren führt das türkische Militär seine Luftangriffe auf Südkurdistan immer boshafter durch. Zuletzt haben in der Nacht vom 14. Juni Dutzende türkische Kriegsflugzeuge zeitgleich Luftangriffe auf Şengal [Sindschar], die Heimat der Ezid*innen, das Flüchtlingslager Mexmûr, das zwölftausend Bewohner*innen hat, sowie die Medya-Verteidigungsgebiete geflogen. Die Menschen von Şengal und Mexmûr haben das Trauma der IS-Angriffe vom August 2014 noch nicht überwunden und sind nun mit genozidalen Angriffen des türkischen Staats konfrontiert. Die grenzübergreifenden Luftangriffe des türkischen Staats stellen Kriegsverbrechen dar und wären ohne Einwilligung der NATO nicht möglich. Aus diesem Grund ist neben der Türkei die gesamte NATO, vor allem die USA, schuldig und verantwortlich. Während bei der aktuellen Angriffswelle der Türkei fünf Zivilisten ermordet worden sind, beeinflussen diese türkischen Luftangriffe vor allem Frauen negativ. Denn aufgrund der Angriffe sind schon Hunderte Bergdörfer evakuiert und ihre Bewohner zur Flucht in die Stadt gezwungen worden. Frauen, die in ihren Dörfern durch Landwirtschaft und Viehzucht aktiv an der Produktion teilnehmen, leben nun aufgrund der Flucht in die Stadt ein isoliertes Leben. Das wiederum erschwert die politische, ökonomische und gesellschaftliche Situation, die mittlerweile in Südkurdistan die Form einer Krise gewonnen hat, für Frauen noch stärker. Im Endergebnis steigt vor allem häusliche Gewalt gegen Frauen stark an und wir können eine Zunahme von Frauenmorden und verdächtigen Selbstmorden erkennen.
Ähnlich ist die Situation in Ostkurdistan (Iran). Die frauenfeindlich-konservative Politik des iranischen Staats, der nicht in der Lage dazu ist, die momentane Krise zu bewältigen, führt zu einer ständigen Vertiefung der krisenhaften Situation. Das wiederum führt zu einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise. Während die momentane krisenhafte Lage im Iran alle ethnischen und religiösen Gruppen im Land betrifft, sind Kurdinnen und Kurden mit systematischeren und konzentrierteren Angriffen konfrontiert. Der iranische Staat unterstützt türkische Luftangriffe auf Südkurdistan mit Mörser- und Granatenbeschuss. Zudem hat die iranische Armee ihre Kräfte im Grenzgebiet zum Irak, was kurdisches Gebiet ist, aufgestellt und eine neue Militäroperation begonnen. Diese neue Operation gegen Kurdinnen und Kurden kommt zu einem Zeitpunkt, in dem der Iran im Wetteifern um die mittelöstliche Hegemonie gegen die USA in Bedrängnis steckt und die Bevölkerung mit dem Coronavirus und einer tiefen Wirtschaftskrise kämpft. Dies wiederum wirkt sich auf Frauen in Form von stärkerer Gewalt und Feminizid aus.
Die Feminizide, mit denen wir in Kurdistan konfrontiert sind, werden überall auf der Welt auf ähnliche Weise verübt. Es gibt eine enorme Zunahme der globalen Gewalt gegen Frauen, insbesondere der häuslichen Gewalt. Das geht auch aus den Anrufen bei Hilfetelefonen gegen männliche Gewalt hervor. Mit der Covid-19-Pandemie nahmen die Anrufe bei Hilfetelefonen für häusliche Gewalt im Libanon um 100 Prozent zu. In Kolumbien wurde eine Zunahme von 142 Prozent verzeichnet. Im Zeitraum zwischen März und Mai, als die Quarantäne in Mexiko in Kraft war, riefen 2.338 Opfer häuslicher Gewalt um Hilfe an (vergleichend hatten im Vorjahr im gleichen Zeitraum 735 Frauen um Hilfe gerufen). Ebenso ist ein gravierender Anstieg bei sexuellen Übergriffen zu beobachten, vor allem gegen Mädchen. Während der zweimonatigen Quarantäne in Kolumbien sind 2.338 Mädchen unter 14 Jahren Opfer sexueller Gewalt und Vergewaltigung geworden. Dies sind offizielle Zahlen. Die Dunkelziffer mag um einiges höher sein.
Der weltweit steigende Feminizid nährt auf direkte und indirekte Weise Nationalismus, Sexismus, religiösen Fanatismus und Szientismus, welche zugleich die Basis der kapitalistischen Moderne darstellen. Daher ist es kein Zufall, dass Rassismus und Faschismus im Einklang mit sexistischen Angriffen auf dem Vormarsch sind. Vor allem die seit Jahrhunderten ausgeübte und mittlerweile strukturell gewordene Gewalt durch weiße Vorherrschaft und Staat gegen Schwarze in den USA wird unbekümmert praktiziert. Und genau aus diesem Grund ist es ein Grundbedürfnis, dass der Kampf für die Freiheit der Frauen antirassistisch, antikapitalistisch, antikolonial geführt wird und sich mit diesen Segmenten verbündet. Militarismus, individuelle Aufrüstung und Territorialherrschaft nichtstaatlicher Akteure, die in größere Lebensräume eindringen, wirken sich direkt auf das Leben von Frauen und Kindern aus. Bemühungen, die sexuelle Ausbeutung durch die Legitimierung von Prostitution auf der Grundlage eines falschen Freiheitsgefühls zu verstärken, stellen eine weitere Dimension von Feminizid dar. Auch in diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass Frauen in den informellen Sektor gedrängt werden, in dem jegliche Sicherheit fehlt und der offen ist für Angriffe und Ausbeutung. Aus einer breiten Perspektive ist es offensichtlich, dass ein mehrdimensionaler Feminizid verübt wird und die männlich-dominierte Mentalität versucht, die durch die Covid-19-Pandemie geschaffenen Bedingungen zu diesem Zweck zu nutzen.
Jetzt stellt sich uns die Frage, wie wir als Frauen auf diesen systematischen Angriffskrieg und Feminizid, mit dem wir konfrontiert sind, reagieren müssen. Wie können wir uns verteidigen? Wie können wir uns widersetzen? Wie können wir den Widerstand organisieren? Das ist der Punkt, auf den wir uns jetzt konzentrieren müssen. Unsere Feststellungen und Bewertungen sollten der Lösungsfindung dienen. Denn wenn wir uns nur auf die Angriffe fokussieren und die momentane Situation nur als Feminizid sehen, könnte im Endergebnis Verzweiflung entstehen. Aber wir müssen erkennen, dass einer der Gründe, warum das patriarchale System dermaßen aggressiv agiert, der erstarkte und aufsteigende Kampf der Frauen ist.
Wir sind nicht das schwache Glied; im Gegenteil, wir sind die gesellschaftliche Kraft, die das globale System am meisten herausfordert! Unserer Kraft und der historischen Möglichkeiten unserer Zeit bewusst, können wir uns gegen alle ideologischen, politischen, wirtschaftlichen, militärischen, physischen und ideellen Angriffe des globalen kapitalistischen Patriarchats wehren, die darauf abzielen, uns einzuschüchtern, zu unterwerfen und uns zum Aufgeben zu zwingen. Wir sind in der Lage dazu, das herrschende System weiter zu schwächen und den Frauenbefreiungskampf zum praktischen Subjekt des 21. Jahrhunderts als Epoche der Frauenrevolution machen. Wir verfügen über das Potential, unserem Zeitalter die Farbe der Frauenbefreiung, der Ökologie und der Demokratie zu geben und eine Frauenrevolution verwirklichen, die dies gewährleisten wird. Selbst die Aggression des patriarchalen Systems beweist dies. Außerdem sind revolutionäre Prozesse brennende Kampf- und Widerstandsprozesse. Wir befinden uns bereits in einem solchen brennenden Prozess des Kampfes. Deshalb muss unser Gegenschlag entsprechend glühend sein.
Das System zielt darauf ab, uns zu isolieren, zu vereinzeln, zu entfremden. Denn es ist sich sehr wohl bewusst, dass wir Frauen unsere Kraft aus unserer Einheit, Solidarität und Organisierung beziehen. Aus diesem Grund müssen wir uns auf einem Niveau vernetzen, beginnend auf der lokalsten Ebene uns gegenseitig umarmen, uns annehmen, uns unterstützen und uns verteidigen, so dass keine Frau mehr alleine sein und alleine laufen soll. Das ist der erste Schritt.
Zweitens müssen wir unsere Netzwerke in organisierte Strukturen umwandeln. In dem Bewusstsein, dass der Weg der Befreiung über die Organisierung führt, sollten wir uns darauf stützen, alle Probleme, die wir erleben, von der Gesundheit bis zur Wirtschaft, vom Recht bis zur Politik, von der Gesellschaft bis zur Kultur, von der Presse bis zum Sport, von der Familie bis zum Land, auf der Grundlage von Autonomie und Selbstorganisation zu lösen. Ungeachtet des Problems sollten wir es zum Hauptziel machen, eine Lösungskraft mit dem gemeinsamen Geist und dem kollektiven Willen der Frau zu entwickeln. Mit jeder Herausforderung, die wir meistern, werden wir auf individueller und kollektiver Ebene weiter gestärkt und schwächen das männlich dominierte System, das versucht, unseren Willen zu brechen.
Drittens sollten wir im Kampf gegen das von Männern dominierte System auf die patriarchale Mentalität abzielen. Denn es ist diese Mentalität, die alle Arten von Gewalt reproduziert. Wir können unsere Errungenschaften nicht sichern, ohne dieses Bewusstsein umzuwandeln, welches in alle Lebensbereiche durch die Macht- und Herrschaftsbeziehungen eingreift und alle gesellschaftlichen Strukturen berührt. Zu diesem Zweck müssen wir die herrschende männliche Mentalität eingehend analysieren, ihre Systematisierung verstehen, ihre Codes bewusst machen und eine radikale Selbstverteidigungskraft gegen sie aufbauen. Wir sollten sie niemals akzeptieren. Wir müssen sie offenbaren, entlarven, ausgrenzen. Als Frauen sollten wir das Bewusstsein für uns selbst und unsere Umwelt auf kollektiver Ebene schärfen. In dieser Richtung sollten wir Bildungs- und Aktionspläne erstellen. Wir müssen die patriarchale Mentalität inakzeptabel machen, inakzeptabel für Frauen und Gesellschaft. Dabei müssen wir dieser Mentalität des Nationalismus, Rassismus, Sexismus, religiösen Fanatismus und Kolonialismus durch den Aufbau eines freien Bewusstseins entgegen treten.
Viertens: Als Frauengruppen, -organisationen und -bewegungen sollten wir unser eigenes System auf der Grundlage des Geists der Freiheit aufbauen. Der Aufbau eines demokratisch-autonomen Systems der Frauen bedeutet zugleich die Realisierung des Geists der Freiheit. Wenn wir unsere autonomen Strukturen in ein gemeinsames System bringen, ohne unsere Lokalität und Originalität auf der Grundlage des Demokratischen Konföderalismus zu schwächen und neue zentralistische Strukturen zu schaffen, werden die herrschenden-staatlichen Strukturen marginal werden. Um den Lebensraum des herrschenden Systems einzugrenzen, müssen wir unsere eigenen Freiräume erweitern. Je größer wir werden, desto kleiner wird es, je stärker wir werden, desto schwächer wird es, je mehr wir werden, desto weniger wird es.
Es ist an der Zeit! Patriarchale Angriffe, die auf dem Niveau eines Feminizids durchgeführt werden, verringern nicht das Streben und den Anspruch von Frauen nach Befreiung; im Gegenteil, sie multiplizieren sie. Lasst uns also jeden Lebensbereich von patriarchaler Denkweise befreien und in einen Kampf gegen das System verwandeln! Stellen wir uns gegen jegliche Form von Gewalt! Verwandeln wir unsere Kette, die wir gemeinsam bilden werden, in eine Mauer, die Sexismus, Rassismus und Kolonialismus nicht passieren können, und bauen wir unseren freien Geist auf, errichten wir das demokratische autonome System der Frauen der Welt! Wir können das tun! Denn es ist an der Zeit! Es ist an der Zeit, überall auf der Welt, von Kurdistan bis Minneapolis, von Ciudad Juarez bis Kandahar, von Khartum bis Madrid das patriarchale System zu durchbrechen, indem wir die zweite große Frauenrevolution der Geschichte verwirklichen!