Journalistin Elfazi Toral in Gewahrsam nackt durchsucht

Die kurdische Journalistin Elfazi Toral ist in Polizeigewahrsam einer entwürdigen Nacktdurchsuchung unterzogen worden. Auch weitere körperliche und auch psychische Gewalt musste die Reporterin der Frauennachrichtenagentur JinNews erdulden.

Die kurdische Journalistin Elfazi Toral ist eigenen Angaben nach in Polizeigewahrsam einer entwürdigenden Nacktdurchsuchung unterzogen worden. Das machte die Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews am Montag auf einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten des Menschenrechtsvereins IHD in Istanbul öffentlich. Toral berichtete auch von weiterer körperlicher und auch psychischer Gewalt, die sie in Gewahrsam der Polizei erleben musste. Sie kündigte an, Anzeige gegen die teils namentlich bekannten Beamten zu erstatten.

Elfazi Toral war am Freitag in Istanbul festgenommen worden. Sie hatte eine öffentliche Pressekonferenz des Provinzverbands der DEM-Partei (ehemals HEDEP) dokumentieren wollen. Die Abgabe der letztlich verhinderten Erklärung sollte vor dem Hintergrund einer am Vortag gewaltsam von der Polizei aufgelösten Kundgebung gegen die türkische Nekropolitik in Kurdistan erfolgen. Bei dem Übergriff auf den Protest waren fast fünfzig Menschen festgenommen worden, viele wurden in Polizeigewahrsam misshandelt. Die Sprecherin des Jugendrats der Partei etwa, Edanur Ibrahimoğlu, war durch Schläge ins Gesicht schwer am Auge verletzt worden. Gegen Toral ordnete ein Gericht indes polizeiliche Meldeauflagen an.

2022 wurden Elfazi Toral und andere Presseleute auf einer Friedenskundgebung in Wan mit dem Tod bedroht. Die Worte des Polizisten lauteten: „Ich knalle euch ab, niemand wird euch finden.“ Juristische Schritte dagegen verliefen im Sand.


Gezielte Faustschläge auf Brustkorb und Herzgegend

„Die Gewalt begann bereits im Verlauf meiner Festnahme“, schilderte Toral. Mehrfach seien ihr mit auf dem Rücken gefesselten Händen gezielte Faustschläge auf den Brustkorb und die Herzgegend verpasst worden – trotz Hinweisen auf Erkrankungen. Im Gefangenenbus, in dem sie und andere Festgenommene in der Folge mehr als fünf Stunden ausharren mussten, bevor sie in das als Folterzentrum berüchtigte Polizeipräsidium Vatan im Istanbuler Bezirk Fatih gebracht wurden, habe man wiederholt auf sie eingetreten. Als Toral dies auf der Wache beanstandete, sei die Gewalt damit gerechtfertigt worden, dass sie Widerstand gegen ihre Festnahme geleistet hätte. Die anschließend unter Einsatz von Gewalt durchgeführte Leibesvisitation wurde laut Toral begleitet von Beleidigungen und Obszönitäten in einem Kontext, in dem sie eingeschüchtert werden sollte.

„Es geht darum, die kurdische Gesellschaft als Ganzes zu erniedrigen“

Sema Korkmaz, Korrespondentin des Magazins „Demokratik Modernite“ (dt. Demokratische Moderne), die ebenfalls festgenommen worden war, bestätigte die Schilderungen ihrer Kollegin. Auch sie sei Opfer von Misshandlungen durch die Istanbuler Polizei geworden, wenn auch nicht so massiv wie im Fall von Toral. Sie ordnete den Übergriff in eine „lange Liste von Situationen“ ein, die Vertreterinnen und Vertreter kurdischer Medien seit Jahren erdulden müssten. Es gehe nicht nur darum, die einzelne Person zu demütigen, sondern die Gesellschaft als Ganzes zu erniedrigen, betonte Korkmaz. „Letztlich geht es auch um eine Methode, uns von unserer Berufung abzubringen. Als Medienschaffende in der Tradition der freien kurdischen Presse lassen wir uns jedoch nicht einschüchtern. Wir werden unseren Kampf für die Wahrheit fortsetzen und uns beharrlich gegen diese Angriffe wehren“, fügte Toral hinzu.

Juristin: Pauschale Nacktkontrollen bei Ingewahrsamnahme unzulässig

An der von der Vereinigung der Journalistinnen Mesopotamiens (MKG) und dem Journalistenverein Dicle-Firat (DFG) veranstalteten Pressekonferenz beteiligte sich auch die Rechtsanwältin Elif Taşdöğen. Sie informierte über die Rechtslage zu sogenannten Leibesvisitationen und erklärte, dass pauschale Nacktkontrollen bei einer Ingewahrsamnahme nach der türkischen Gesetzgebung unzulässig sind. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) können Leibesvisitationen in bestimmten Fällen zwar notwendig sein, etwa um die Sicherheit in einem Gefängnis zu gewährleisten oder Unruhen vorzubeugen. Sie müssten jedoch in angemessener Weise durchgeführt werden. Verhalten, das darauf abzielt, Häftlinge zu demütigen oder Minderwertigkeitsgefühle auszulösen, zeuge von einem Mangel an Respekt für deren Menschenwürde und stelle eine erniedrigende Behandlung dar.

IHD und TIHV unterstützen Klage gegen Polizei

Der EGMR hatte bereits 2016 einen Fall von einer Nacktdurchsuchung in der Türkei als Rechtsverletzung verurteilt. Dies hielt das Regime in Ankara allerdings nicht davon ab, diese Praxis fortzusetzen. Zivilrechtliche Organisationen in der Türkei, insbesondere Rechtsanwaltskammern in den kurdischen Provinzen, prangern seit Jahren an, dass Nacktdurchsuchungen von Gefangenen oder Festgenommenen als systematische Folterpraxis angewendet werden. Das betonte auch die JinNews-Reporterin Marta Sömek heute in Istanbul. Zusammen mit dem IHD und der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) bereite sich die Frauennachrichtenagentur auf eine Klage gegen die Istanbuler Polizeibehörde vor. „Wir lassen uns von diesen Angriffen nicht ermutigen oder von unserem Beruf abbringen. Wir sind der Wahrheit verpflichtet und werden uns von allen Steinen, die uns in den Weg gelegt werden, befreien“, betonte Sömek.