HDP-Politikerin Berna Çelik entwürdigender Nacktdurchsuchung unterzogen

Die unlängst unter „Terror“-Vorwürfen verhaftete Ko-Vorsitzende der HDP Izmir, Berna Çelik, ist im Gefängnis einer Nacktdurchsuchung unterzogen und sexistisch beleidigt worden. Ihre Verteidigerinnen haben Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.

Die wegen des angeblichen Verdachts der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ in Izmir inhaftierte Lokalpolitikerin Berna Çelik ist im Gefängnis offenbar einer Nacktdurchsuchung unterzogen worden. Das machten ihre Verteidigerinnen Fatma Demirer und Sidal Bayrak am Donnerstag öffentlich. Der Vorfall soll sich Anfang der Woche in der geschlossenen Frauenvollzugsanstalt Şakran im nördlich von Izmir gelegenen Aliağa ereignet haben. Weil Çelik sich gegen die von ihr als „entwürdigend” bezeichnete Leibesvisitation zur Wehr setzte, sei sie vom Gefängnispersonal zusätzlich sexistisch beleidigt worden. Ihre Anwältinnen haben Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstattet.

Berna Çelik ist Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der Ägäis-Provinz Izmir. Nach drei Tagen in Gewahrsam auf dem Dezernat für Terrorbekämpfung der türkischen Polizei war die kurdischstämmige Politikerin am Montag zusammen mit Çınar Altan, der männlichen Hälfte in der genderparitätischen Doppelspitze des HDP-Verbands, und ihrem Amtskollegen aus dem Kreis Buca, Nihat Türk, inhaftiert worden. Der Vorwurf gegen sie alle lautet auf Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Nihat Türk, Berna Çelik und Çınar Altan (v.l.n.r.)  kurz vor dem Abtransport vom Gericht ins Gefängnis. Die Praxis der Polizei, mit Zwang und Gewalt den Kopf von Verhafteten zu beugen, gilt als beliebtes Instrument zur Erniedrigung der demokratischen Oppotision. 


Wie Demirer und Bayrak weiter mitteilten, sei ihre Mandantin Berna Çelik mit auf dem Rücken gefesselten Händen vom Justizpalast Izmir aus bis zum Frauengefängnis Şakran transportiert worden. Zuvor habe sie in einer Gewahrsamszelle fast ständig unter Beobachtung gestanden und auch im Gerichtsgebäude sei sie mit Handschellen gefesselt gewesen. „Zusammengefasst bestand sohin keinerlei Grund dafür, die Beschwerdeführerin in der Vollzugsanstalt zum vollständigen Ausziehen aufzufordern und ihren unbekleideten Körper zu besichtigen sowie zu durchsuchen“, betonen die Juristinnen in ihrer Beschwerde an die Staatsanwaltschaft.

Die Verhaftungen in Izmir waren auf Grundlage einer sogenannten „Anti-Terror-Operation“ nach dem PKK-Anschlag vor dem Innenministerium Anfang des Monats in Ankara erfolgt. Bei intensiven Verhören durch die polizeiliche Antiterrorabteilung sowie die Oberstaatsanwaltschaft Izmir seien Çelik und ihre Kollegen laut ihrem Rechtsbeistand jedoch lediglich zu Kundgebungen, Presseerklärungen und Veranstaltungen befragt worden, die sie als HDP-Vorsitzende organisiert oder an denen sie teilgenommen hätten. Das bestätige die Annahme, dass die Verdächtigungen gegen die verhafteten Politiker:innen konstruiert seien und als Vorwand für die Kriminalisierung der HDP dienten.

Zudem bemängeln Demirer und Bayrak, dass männliche Beamte der Antiterrorzentrale Berna Çelik bis zu ihrer Gefängniszelle begleitet hätten und offenbar auf ihr Einwirken hin das Gefängnispersonal die Politikerin am nächsten Tag bei der Frühstücks- und Getränkeausgabe ausgespart habe. „Die Arbeit der Polizei endet normalerweise an der Tür, wenn sie Gefangene an Vollzugsanstalten überstellen. Das Betreten der Zelle von Berna Çelik durch die Polizei ist rechtswidrig und deutet ebenso wie die von unserer Mandantin beobachtete Unterredung zwischen den Beamten und dem Gefängnispersonal darauf hin, dass Berna Çelik einer rechtswidrigen Sonderbehandlung unterzogen werden soll“, monieren die Anwältinnen. Auch dagegen werden wir juristisch vorgehen.“

Nacktdurchsuchungen

Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) können Leibesvisitationen in bestimmten Fällen notwendig sein, etwa um die Sicherheit in einem Gefängnis zu gewährleisten oder Unruhen vorzubeugen. Sie müssten jedoch in angemessener Weise durchgeführt werden. Verhalten, das darauf abzielt, Häftlinge zu demütigen oder Minderwertigkeitsgefühle auszulösen, zeugten von einem Mangel an Respekt für deren Menschenwürde und stellten eine erniedrigende Behandlung dar. Der EGMR hatte bereits 2016 einen Fall von einer Nacktdurchsuchung in der Türkei als Rechtsverletzung verurteilt. Dies hielt das Regime in Ankara allerdings nicht davon ab, diese Praxis fortzusetzen. Zivilrechtliche Organisationen in der Türkei, insbesondere Rechtsanwaltskammern in den kurdischen Provinzen, bezeichnen Nacktdurchsuchungen von Gefangenen seit Jahren als systematische Folterpraxis ein.