In Gever (tr. Yüksekova) in der Provinz Colemêrg (Hakkari) sind vier Kurden wegen des angeblichen Verdachts der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ verhaftet worden. Die jungen Männer waren am vergangenen Freitag im Rahmen des politischen Vernichtungsfeldzugs gegen die kurdische Opposition nach dem Anschlag in Ankara zusammen mit neun weiteren Personen in Gewahrsam genommen worden. Sie wurden beschuldigt, Propaganda für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrieben oder sich mitgliedschaftlich für diese betätigt zu haben. Gegen drei von ihnen verhängte das Strafgericht Yüksekova am Montagabend polizeiliche Meldeauflagen, die übrigen Festgenommenen kamen ohne Auflagen auf freien Fuß.
Die Festnahmen in Gever hatten für Wut und Empörung gesorgt, gerade auch wegen des brutalen Vorgehens der türkischen Polizei. Im gesamten Landkreis waren zahlreiche Wohnungen von einer schwerbewaffneten Sondereinheit gestürmt worden, etliche Festgenommene und ihre Angehörigen wurden von den Beamten misshandelt. Unter ihnen befand sich auch der Jugendliche Barış Özçük. Der 16-Jährige ist eine der vier Personen, gegen die Untersuchungshaft verhängt worden ist.
Özçüks Mutter berichtete, dass bei dem Polizeiüberfall auf ihre Wohnung die Stromversorgung unterbrochen und die Tür mit einem Zünder aufgesprengt worden sei. Ihr Sohn habe im Wohnzimmer geschlafen. „Wir wussten nicht wie uns geschah. Die Polizei drang in die Wohnung ein und sperrte uns in ein Zimmer. Drei oder vier Polizisten sprangen auf den Rücken meines Sohnes, legten ihn in Handschellen und schlugen ihn. Dann zogen sie ihn nackt aus und übergossen ihn mit kaltem Wasser, während sie weiter auf ihn einprügelten und er laut schrie. Ich bin herzkrank und stürzte zu Boden, als die Polizisten mich traten. Mein Mann wurde etliche Male mit Gewehrschäften geschlagen. Jeder Polizist, der an meinem Sohn vorbeiging, gab ihm einen Tritt. Er hatte Wunden am ganzen Körper“, schilderte Saliya Özçük.
Die Polizeigewalt setzte sich nach Angaben von den Rechtsbeiständen der Festgenommenen – zunächst war lediglich von zehn Festnahmen die Rede – auch auf der Polizeidienststelle fort. Noch am Freitag ordnete das örtliche Gericht auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Yüksekova ein 24-stündiges Kontaktverbot an. Dadurch wurde erst am Samstag das ganze Ausmaß der Tortur an den Festgenommenen bekannt. Die Rechtsanwaltskammer Hakkari teilte mit, dass es auch in Gewahrsam zu Misshandlungen durch die Polizei gekommen sei. Zudem hätten die in Haft sitzenden Jugendlichen und Heranwachsenden weder Wasser noch Nahrung erhalten.
Der Termin für staatsanwaltliche Vernehmung war für Montagfrüh festgesetzt worden. Dennoch mussten die Festgenommenen, einschließlich der Minderjährige Barış Özçük, bis zum Abend mit auf dem Rücken gefesselten Händen im Gerichtsgebäude ausharren, bis die richterliche Befragung geführt wurde. Vor dem Justizpalast waren besonders viele Polizisten zur Absicherung im Einsatz, um mögliche Proteste von Angehörigen zu unterbinden. Barış Özçük sowie Vedat Özeken, Şervan Bor und Isa Terzioğlu sollen noch in der Nacht in ein Hochsicherheitsgefängnis in der benachbarten Provinz Wan (Van) überstellt werden.