Das Jineolojî-Komitee im Camp Mexmûr in Südkurdistan hat ein Symposium zum Stichwort „Xwebûn“ durchgeführt. Xwebûn heißt Selbstwerden oder Selbstsein. Der Begriff wurde von Abdullah Öcalan im Zusammenhang mit seinen Vorstellungen von einem freien partnerschaftlichen Leben geprägt: Ein solches Leben bedeutet, Existenz und Bewusstsein eine neue Form zu geben. Diese Einheit von Existenz, Bewusstsein und Form wurde von Öcalan als Xwebûn definiert und in erster Linie den Frauen mit auf den Weg gegeben.
Auf dem von Gulan Avrê moderierten Symposium im Gebäude des Volksrats von Mexmûr stellten fünf Referent:innen ihre Interpretation des Begriffs Xwebûn vor. Zentrale Frage war dabei, wie die etwa 12.000 Bewohner:innen des Geflüchtetencamps „sie selbst sein“ können, was sie daran hindert und welche Lösungswege möglich sind.

Mamoste Hewar Gabar erklärte zur Begrifflichkeit von Xwebûn: „Unsere Mütter haben uns beigebracht, man wir nicht wir selbst sein können, wenn wir keine Heimat und kein Land haben, auf dem wir leben können. Wer das nicht hat, ist nicht er selbst und wird jemand anderes.“
Filiz Budak vom Jineolojî-Komitee ging in ihrem Referat auf die Interpretation von Abdullah Öcalan ein und sagte: „Solange wir nicht wir selbst sind, können wir nicht von Freiheit sprechen. Wir können auch nicht von einem Kampf sprechen. Wie kann eine Existenzform sie selbst sein und wie wird sie dazu gebracht, nicht mehr sie selbst zu sein? Aus der Perspektive der Jineolojî bringt uns diese Frage zunächst zur Göttinnenkultur und dem, was darin erschaffen wurde.“

Der Jugendaktivist Medeni Ilhan skizzierte in seinem Beitrag den Zusammenhang zwischen Xwebûn und ökologischen Ansätzen: „Je mehr sich der Mensch von der Natur entfernt, entfernt er sich von sich selbst und seinem Wesen. Seht euch die stattfindenden Massaker, die Hassdiskurse, die Angriffe und die unbegrenzte Ausbeutung an: Dahinter steht der von sich selbst distanzierte Mensch. Eine Person, die nicht sie selbst ist, greift zu solchen Methoden.“
Xantur Kara vom Frauenrat Iştar erläuterte die Grundprinzipien der kurdischen Frauenbewegung und sagte, dass die Liebe und der Willen zur Freiheit die Voraussetzung in ihrem Kampf seien. Um kämpfen zu können, müssten Frauen ihr eigenes Selbst finden.
Ruheyv Efrîn von der Kultur- und Kunsteinrichtung referierte über die für das kurdische Volk existentielle Bedeutung kultureller Arbeit: „Kultur und Kunst tragen maßgeblich dazu bei, das eigene Selbst zu bewahren. Eltern müsse ihre Kinder mit der kurdischen Kultur aufwachsen lassen. In unserer Gesellschaft ist das ein grundsätzlicher Bedarf.“
Im Anschluss an die Referate stellten die Teilnehmer:innen Fragen und eigene Bewertungen an.