Zivilgesellschaft: Istanbul-Konvention muss umgesetzt werden

26 zivilgesellschaftliche Organisationen, unter ihnen auch der Demokratische Kongress der Völker (HDK), unterstützen die Istanbul-Konvention zum Schutz vor Gewalt an Frauen und fordern ihre Umsetzung.

Das AKP/MHP-Regime in der Türkei versucht die Ratifizierung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen rückgängig zu machen. Mit dem Argument des „Schutzes der Familie“ soll die wichtige Errungenschaft der globalen Frauenbewegung beseitigt werden. Doch dagegen regt sich seit Monaten breiter Widerstand. Jetzt haben sich 26 zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort gemeldet und die Regierung aufgefordert, die Diskussionen um einen Austritt aus dem Abkommen ein für alle Mal zu beenden und die Rechtsnormen anzuwenden. In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Titel „Die Istanbul-Konvention ist eine Überlebensgarantie“ heißt es: „Wenn die Istanbul-Konvention umgesetzt worden wäre, hätten nicht seit Januar 2020 163 und allein im Juli 36 Frauen von den Männern, die ihnen am nächsten stehen, ermordet werden können. Die Polizeigewalt gegen Frauen, die ihre von der Verfassung garantierten Rechte fordern, zeigt, dass der Staat Komplize bei den Femiziden ist. Nicht ein Ende der Istanbul-Konvention, sondern ihre Umsetzung muss garantiert werden.“

Die Unterzeichner*innen reichen von Initiativen von Putschopfern über fortschrittliche religiöse und weltanschauliche Verbände, die Demokratiebewegung, den Demokratischen Kongress der Völker (HDK) bis hin zu Gewerkschaften und den PEN-Club. Die Namen der einzelnen Initiativen lauten: „2017 Bodrum Yurttaş İnisiyatifi, 78’liler Girişimi, Alevi Düşünce Ocağı Derneği, Ankara 78’liler Girişimi, Ankara Düşünceye Özgürlük Girişimi, Daktilo 1984, Demokrasi İçin Birlik (DİB), Demokratik Alevi Dernekleri, Din Alimleri Derneği (DİAYDER), Diyalog Grubu, Doğu-Güneydoğu Dernekleri (DGD) Platformu Kadın Meclisi, Doğu-Güneydoğu Dernekleri (DGD) Platformu, Düşünce Suçuna Karşı Girişim, Eşit Haklar İçin İzleme Derneği, Güvence Hareketi, Hak ve Adalet Platformu, Halkların Demokratik Kongresi (HDK), Oyuncular Sendikası, Özgürlük Araştırmaları Derneği, PEN Yazarlar Derneği, Pir Sultan Abdal Kültür Derneği, SODEV (Sosyal Demokrasi Vakfı), Türkiye Yazarlar Sendikası (TYS), Üniversite Öğretim Üyeleri Derneği (ÜNİVDER), Yurttaş Girişimi, Yurttaşlık Derneği.”

Hintergrund: Die Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention – das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – wurde 2011 vom Europarat als völkerrechtlicher Vertrag ausgefertigt und trat im Jahr 2014 in Kraft. Sie gilt als Meilenstein im Kampf gegen patriarchale Gewalt und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen sowie die Präventions- und Hilfsangebote zu verbessern. Die Türkei unterzeichnete als erstes Land die Konvention und ratifizierte den Vertrag 2012 im Parlament, doch in der Praxis werden die Rechtsnormen nicht angewandt. Weder werden die vorgesehenen Hilfsangebote und Schutzmaßnahmen für Frauen realisiert, noch wird beispielsweise das Gesetz Nr. 6284, das nach Angaben der AKP-Regierung als „Schutzmantel für Frauen“ wirken soll, effizient durchgesetzt. Und das, obwohl in dem Land am Bosporus Frauenhass und Gewaltexzesse an Frauen keine Seltenheit sind, sondern das patriarchale Fundament der Gesellschaft darstellen. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen” (türk. „Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu“) 474 Femizide registriert, dennoch diskutiert die Regierung von Staatspräsident Erdoğan über einen Austritt aus der Istanbuler Konvention – weil sie traditionelle Werte „untergrabe“ und Männer zu „Sündenböcken“ mache.