Femizide in der Türkei: 36 Frauen im Juli ermordet

Im Juli sind in der Türkei mindestens 36 Frauen Opfer eines Femizids geworden. 92 Prozent der Frauen wurden von gewalttätigen Ehemännern, Partnern, Vätern oder Söhnen ermordet. Elf weitere Frauen wurden auf verdächtige Weise tot aufgefunden.

Die Plattform „Kadın Cinayetlerini Durduracağız” (KCDP, deut. Wir werden Frauenmorde stoppen) hat ihren Bericht für Juli vorgestellt. Darin dokumentiert die Organisation insgesamt 36 Morde an Frauen in der Türkei, die binnen eines Monats begangen wurden. Elf weitere Frauen wurden auf verdächtige Weise tot aufgefunden.

Laut der Bilanz aus allen polizeilich erfassten und medial veröffentlichten Morden war in 18 Fällen nicht feststellbar, warum die Frauen getötet worden sind. 92 Prozent der Opfer seien von gewalttätigen Ehemännern, Freunden, ehemaligen Partnern oder männlichen Verwandten getötet worden, fünf von ihnen „wegen finanziellen Gründen“, dreizehn weitere, weil sie sich scheiden lassen oder trennen wollten, Männer abgewiesen haben oder weil sie über ihr eigenes Leben entscheiden wollten. Ob sie zuvor eine Gewaltschutzanordnung wie beispielsweise ein Näherungs- oder Kontaktverbot bei den Sicherheitsbehörden erwirken konnten, war nicht feststellbar. Nur in acht Prozent der Fälle sei definitiv auszuschließen, dass die Frauen vom Gewaltschutzgesetz Gebrauch machen konnten. „Dass zudem in 18 Fällen von Femizid die Hintergründe nicht ermittelt werden konnten, ist eine Folge der Verschleierung von Gewalt gegen Frauen und Frauenmorden. Solange nicht aufgedeckt wird, weshalb und von wem Frauen ermordet werden, Täter nicht strafrechtlich verfolgt werden und es keine abschreckenden Strafen gibt, Präventionsmaßnahmen nicht umgesetzt werden, wird das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen immer größer werden“, konstatiert die Plattform. 

Wer waren die Täter?

Eine Übersicht aus der Bilanz der in Istanbul ansässigen Frauenrechtsorganisation gibt die Täter wieder, die für die Morde an Frauen im Juli verantwortlich sind. Demnach wurden elf Frauen von Ehemännern getötet, weitere fünf von ihren Partnern. In ebenfalls fünf Fällen waren männliche Bekannte die Täter, sechs Frauen wurden von Ex-Freunden getötet. Sechs Frauen sind von ihren Vätern, Söhnen oder anderen männlichen Verwandten umgebracht worden. Als Tatwaffen wurden vor allem Schusswaffen eingesetzt. 24 Frauen wurden erschossen, fünf erstochen, drei erdrosselt, eine zu Tode geprügelt und eine weitere aus einem Gebäude gestoßen. 50 Prozent der Frauen wurden in ihrer eigenen Wohnung ermordet, weitere 17 Prozent auf der Straße.

KCDP: Istanbul-Konvention umsetzen!

Die Plattform KCDP unterstreicht in ihrem Bericht, dass es Maskulinisten sind, die sich von der Gleichstellung der Geschlechter „gestört fühlen“ und behaupten, die Istanbul-Konvention würde die klassischen Familienstrukturen und den familiären Zusammenhalt gefährden bzw. zerstören. Trotz der schockierenden Frauenmordrate debattiert die AKP-Regierung seit geraumer Zeit über einen Austritt aus dem Übereinkommen, das Gewalt gegen Frauen, insbesondere häusliche Gewalt, eindämmen und die Gleichstellung von Frauen und Männern stärken soll. Konservative Kreise in der Türkei führen die Zunahme von Femiziden sogar auf die Istanbuler Konvention zurück, obwohl 2011 - das Jahr, in dem das Gesetz zu dem Übereinkommen vom Europarat erarbeitet wurde – in der Türkei eine der niedrigsten Femizidraten überhaupt ausweist, kritisiert KCDP. Erst dadurch, dass Vorschriften wie das Gesetz Nr. 6284, das nach Angaben der AKP als „Schutzmantel für Frauen“ wirken soll, nicht oder kaum Umsetzung finden, schoss die männliche Gewalt in der Türkei wieder in die Höhe.

Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu

Die Plattform Kadın Cinayetlerini Durduracağız ist eine türkische Frauenrechtsorganisation, die Gewalt gegen Frauen erfasst und sich zur Aufgabe gemacht hat, öffentlich über Feminizide aufzuklären und diese zu verhindern. In erster Linie setzt sich die Plattform für die Erhaltung des Lebens und für alle Frauenrechte ein. Die Gründerinnen sind Familienangehörige der ermordeten Frauen, Frauen von verschiedenen Parteien, Institutionen, Gewerkschaften, anderen Vereinen, aber auch nicht organisierte interessierte Frauen.