Der Frauenrat der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und die Bewegung Freier Frauen (TJA) solidarisieren sich mit der kurdischen Politikerin Semra Güzel, der in der kommenden Woche voraussichtlich die parlamentarische Immunität entzogen wird. Nach dem Vorbereitungsausschuss des Parlaments hat am Donnerstag auch die gemischte Kommission aus Mitgliedern der Ausschüsse für Verfassung und Justiz mit den Stimmen von AKP, CHP, MHP und IYI-Partei dem Immunitätsentzug zugestimmt.
Der Frauenrat der HDP und die TJA erklären dazu: „Semra Güzel repräsentiert unseren politischen Willen. Wir appellieren an alle Frauen, sich aus vollem Herzen dem Frauenkampf widmen: Semra zu verteidigen bedeutet, Frauen in der Politik und den Frauenkampf insgesamt zu verteidigen.“
Vor diesem Hintergrund haben Kundgebungen in zahlreichen Städten in der Türkei stattgefunden. Eine Kundgebung in Istanbul wurde von einem Großaufgebot der Polizei belagert. Die HDP-Abgeordnete Züleyha Gülüm sagte in einer Rede, dass die Angelegenheit über ihre Fraktionskollegin Semra Güzel hinausgeht. Gegen die HDP laufe eine Angriffswelle der Polizei, Justiz und Medien, weil die Regierung Angst vor allen kämpfenden Völkern habe. „Der Mord an unserer Freundin Deniz Poyraz in Izmir und der bevorstehende Entzug der Immunität unserer Abgeordneten Semra Güzel sind nicht unabhängig voreinander. Wir wissen genau, dass die Regierung sich vor dem Kampf der Völker, des kurdischen Volkes, kurdischer Frauen und der HDP insgesamt fürchtet. Ihr ist klar, dass sie nicht mehr gewollt ist und die Macht verlieren wird“, so Züleyha Gülüm. Hinter der Diffamierungskampagne gegen Semra Güzel stehe die Tatsache, dass die kurdische Frage nicht gelöst werden solle.
Semra Güzel droht eine Haftstrafe wegen Landesverrat und Terrorismus. Die Vorarbeit hierzu leistete eine medial aufwendige und staatlich gelenkte Diffamierungskampagne gegen die kurdische Politikerin und Ärztin. Ausgangspunkt sind Fotos, die Güzel mit dem Guerillakämpfer Volkan Bora (Nom de Guerre: Koçero Meletî) zeigen. Die Aufnahmen waren 2014 in einem südkurdischen Guerillacamp entstanden, als eine Delegation der HDP im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen.
Bei dem Guerillakämpfer Volkan Bora, der im April 2017 bei türkischen Luftangriffen in der nordkurdischen Provinz Semûr (tr. Adıyaman) ums Leben kam, handelte es sich im Güzels ehemaligen Verlobten. Aus den Bildern mit ihm konstruiert die Staatsanwaltschaft Vorwürfe wie „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Terrorismusfinanzierung“ gegen die Politikerin. Angeblich habe Güzel auch nach Wiederaufnahme der Kämpfe mehrfach PKK-Camps in Südkurdistan besucht. Die HDP erklärte, dass es sich bei der Diffamierungskampagne um ein Propaganda-Manöver im Zuge des Verbotsverfahrens gegen die Partei handele. Sollte Güzel verurteilt werden, droht ihr eine langjährige Haftstrafe.