Hatimoğulları äußert sich über Gespräch mit Öcalan

„Gleichberechtigung, Freiheit und Demokratie können nur durch die Einbindung der Frauen in den gesellschaftlichen Wandel erreicht werden“, erklärte Abdullah Öcalan bei seinem letzten Gespräch mit der Imrali-Delegation.

Frauenrechte und Demokratie untrennbar miteinander verbunden

Die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, hat sich auf einer Gruppensitzung im türkischen Parlament zum letzten Gespräch der Imrali-Delegation mit Abdullah Öcalan geäußert. Bei der anlässlich des nahenden Frauenkampftags am 8. März ausschließlich an den Frauenrat ihrer Partei gerichteten Sitzung kritisierte die Politikerin die „sexistische und reaktionäre” Frauenpolitik der AKP-Regierung. Die Partei von Staatspräsident Erdoğan sei insgesamt von einem konservativ-islamistisch tradierten Frauenverständnis bestimmt und betreibe eine familienzentrierte Politik, sagte Hatimoğulları.

Alle Unterdrückten am 8. März auf die Straße

„Geht es nach dieser Regierung, so sollen Frauen in die traditionelle Geschlechterrolle zurückgedrängt werden. Zurück an den Herd, Kinder gebären, es wird von der ‚traditionellen Frau‘ gesprochen. Außerdem wird eine patriarchale Mentalität vom Staat gefördert. Diese Mentalität ist auch in der Gesellschaft alles andere als gebrochen“, betonte Hatimoğulları. Sie verwies auf den dramatischen Anstieg an Feminizid-Fällen in der Türkei, der nicht unabhängig von der Frauenpolitik der Regierung zu betrachten sei. Die AKP vertrete eine Position, durch die Männer zu patriarchaler Gewalt ermutigt und Feminizide gefördert würden. Das werde mitunter auch daran deutlich, dass es der Regierung am politischen Willen fehle, Gewalt gegen Frauen effektiv zu bekämpfen. „Die Rechte, die wir Frauen uns lang und bitter erkämpft haben, sind ganz konkret in Gefahr. Deshalb rufen wir Frauen und alle anderen unterdrückten Geschlechter und Identitäten auf, am 8. März auf die Straße zu gehen.“


Die zentrale Rolle der Frauen in der Demokratisierung

Im weiteren Verlauf ihrer Rede kam Hatimoğulları auf den Aufruf Abdullah Öcalans für „Frieden und eine demokratische Gesellschaft” zu sprechen. In der historischen Erklärung hatte der 75-Jährige am Donnerstag die von ihm mitbegründete Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zum Niederlegen der Waffen und einer Selbstauflösung aufgerufen. Der Schritt solle den Weg zu Frieden sowie einer würdevollen Lösung der Kurdistan-Frage und Demokratisierung der Türkei ebnen, sagte Öcalan. 

Hatimoğulları war dabei, als Öcalan einer Delegation ihrer Partei die Erklärung bei einem Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali überreichte. „Am 27. Februar 2025 wurde die Welt Zeuge eines historischen Moments: Abdullah Öcalan richtete einen bedeutenden Aufruf an die Öffentlichkeit, in dem er die Notwendigkeit einer demokratischen Transformation betonte“, schilderte die DEM-Vorsitzende bei der Sitzung.

Während der Unterredung mit der Delegation habe Öcalan insbesondere die zentrale Rolle der Frauen in diesem Prozess hervorgehoben. „Er betonte, dass der Kampf für Demokratie untrennbar mit der Frauenbewegung verbunden sei. Demokratisierung bedeute revolutionär zu sein. Der erste Schritt dazu sei eine freiheitliche Herangehensweise an die Frauenfrage, sagte Öcalan. Er stellte klar, dass Gleichberechtigung, Freiheit und Demokratie nur durch die Einbindung der Frauen in den gesellschaftlichen Wandel erreicht werden können.“

An der Gruppensitzung der DEM beteiligten sich auch Aktivistinnen der Initiative der kurdischen Friedensmütter © DEM Pressedienst

Ein Aufruf zur politischen Verantwortung

„Öcalan machte deutlich, dass sein Friedens- und Demokratisierungsaufruf nicht nur die PKK, sondern auch den Staat, die Regierung, die gesamte Gesellschaft und die Opposition betrifft. Besonders hob er die Bedeutung des Parlaments hervor, das eine historische Verantwortung trage, um die militärische Logik des Konflikts zu durchbrechen und die kurdische Frage endgültig auf eine politische und rechtliche Ebene zu verlagern.“

Der Friedensappell von Abdullah Öcalan fand weltweit und in der Region enorme Unterstützung, erklärte Hatimoğulları weiter. Zahlreiche politische Akteur:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und demokratische Bewegungen, aber auch Regierungen hätten sich „diesem historischen Moment“ angenommen. „Insbesondere die Linke und sozialistische Bündnisse, aber auch viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen und Glaubensgemeinschaften, bekundeten ihre volle Unterstützung für diesen Aufruf“, so Hatimoğulları.

Die PKK selbst erklärte, dass sie sich vollständig an Öcalans Aufruf halten werde und rief alle ihre Kräfte zu einem Waffenstillstand auf. Nun sei es an der türkischen Regierung, die militärischen Operationen einzustellen und einen Rahmen für einen nachhaltigen Friedensprozess zu schaffen, betonte Hatimoğulları. Die Regierung habe die Verantwortung, konkrete politische und rechtliche Schritte einzuleiten, um die Grundlage für eine dauerhafte Lösung des Konflikts zu schaffen.

Viele Abgeordnete trugen lilafarbene Kleider © DEM Pressedienst

Der Weg zur Demokratie

„Ein echter Frieden kann laut Öcalan nur dann Bestand haben, wenn sich die Republik in ihrem zweiten Jahrhundert darauf fokussiert, die demokratischen Rechte aller Menschen im Land zu stärken. Und Demokratie bedeutet nun mal, den Menschen eine freie Stimme zu geben. Diese Worte verdeutlichen den Kern seiner Vision: ein gerechtes, freies und gleichberechtigtes Zusammenleben aller ethnischen und religiösen Gruppen in der Türkei“, fügte Hatimoğulları hinzu.

Ein wichtiger Aspekt in der derzeitigen Phase sei die Rolle der Medien im Friedensprozess, meinte die DEM-Vorsitzende. Die Sprache, die in der öffentlichen Berichterstattung verwendet wird, könne zur Friedensförderung oder zur weiteren Polarisierung beitragen. Tülay Hatimoğulları forderte daher die Medien dazu auf, eine konstruktive und demokratische Debatte zu fördern, um die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

„Der Aufruf von Öcalan stellt einen Meilenstein dar, der eine neue Ära der Demokratie, der Gleichberechtigung und des Friedens einleiten könnte. Er betonte, dass Frieden nicht das Werk der Schwachen, sondern der Mutigen sei. Die kommenden Schritte hängen nun von der politischen Bereitschaft aller Akteur:innen ab. Die Demokratisierung der Türkei ist nicht nur eine Frage der kurdischen Bewegung, sondern betrifft alle Menschen im Land. Die kommende Zeit wird zeigen, ob dieser historische Moment genutzt wird, um eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft zu schaffen.“