Hamburg: Prozess gegen mutmaßliche IS-Anhängerin

In Hamburg läuft seit Anfang November ein Prozess gegen das mutmaßliche IS-Mitglied Daniela G. Aus feministischer Perspektive wird zur Prozessbeobachtung aufgerufen, um eine kritische Öffentlichkeit herzustellen.

Am 4. November 2021 begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg der Prozess gegen die mutmaßliche IS-Anhängerin Daniela G. aus Hamburg. Der 24-Jährigen wird vorgeworfen, Mitglied einer im Ausland bestehenden terroristischen Vereinigung – dem sog. Islamischen Staat (IS) – gewesen zu sein und sich an dessen Zielen beteiligt zu haben. Seit dem 30. September 2021 befindet sich die Frau in Untersuchungshaft.

Wie es in der Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg heißt, ist die Angeschuldigte IS-Rückkehrerin. „Sie soll als Jugendliche am 3. September 2014 ihrem nach islamischem Ritus angetrauten Ehemann nach Syrien gefolgt sein und sich dort dem IS angeschlossen haben. Der Anklage zufolge übte sie sodann in Syrien und im Irak bis jedenfalls Ende 2018 die tatsächliche Gewalt über eine Kriegswaffe aus. Zudem wurde sie seit 2014 mehrmals in einem „Frauenhaus“ des IS untergebracht, wo sie kostenlos beherbergt und in Islamlehre nach Ideologie des IS unterrichtet wurde. Per Messenger soll sie wiederholt für eine Reise nach Syrien und den IS geworben haben. Schließlich soll sie den Rollenerwartungen des IS entsprechend für ihren Ehemann den Haushalt geführt und die gemeinsamen 2015 und 2017 geborenen Kinder der Ideologie des IS entsprechend erzogen haben, wozu insbesondere der Umgang mit Waffen gehörte“.

Kritisch-feministische Prozessbeobachtung

Wie schon bei vergangenen Prozessen gegen Anhängerinnen des IS gilt es auch bei diesem, eine kritisch-feministische Prozessbeobachtung zu leisten. Dabei soll es um mehrere Aspekte gehen. Zum einen sind die Verbrechen des IS in einem globalen Kontext zu betrachten. Die Angeklagten sind also somit nicht als Einzeltäter:innen zu verstehen, sondern eingebettet in ein Wirkungsgefüge verschiedener lokaler und überregionaler Akteure. So wurde der sog. IS etwa maßgeblich von NATO-Mitgliedern wie der Türkei logistisch, finanziell und ideologisch unterstützt.

Zum anderen ist es wichtig, Solidarität mit den Ezid:innen zu zeigen, denn gegen diese richtete sich ein gezielter Genozid und Feminizid durch den IS. Mehr als 400.000 Ezid:innen haben alles verloren. Es gibt unzählige Berichte von den Überlebenden, die über ihre Versklavungen und Misshandlungen berichten. Um Gerechtigkeit herzustellen, bedarf es einer ganzheitlichen Aufklärung und Aufarbeitung dieser Verbrechen. In vergangenen Prozessen gegen IS-Rückkehrer:innen wurde beobachtet, dass hierbei versagt wurde.

Die besondere Rolle von Frauen beim IS

Zudem gilt es, die besondere Rolle der Frauen zu beleuchten, welche diese innerhalb des IS eingenommen haben. Auch in den bislang getätigten Aussagen der aktuell Angeklagten zeigt sich, dass versucht wird, das Bild der unschuldigen Ehe- und Hausfrau aufrechtzuerhalten. Doch während die Männer „in den Kampf ziehen“, ist es mitnichten so, dass Frauen nicht für die Reproduktion ebenjener Kämpfe sorgen – gerade durch emotionale Sorgearbeit, das Gebären und Erziehen der Kinder und die Vermittlung der Ideologie an Kinder und andere Frauen sorgen sie in dieser Rolle für Kontinuität und Stabilität.

Prozess gegen Daniela G. wird nächste Woche fortgesetzt

Im Prozess gegen Daniela G. sind mittlerweile fünf Verhandlungstage vergangen. Laut dem vorsitzenden Richter soll die Beweisführung in Kürze abgeschlossen werden. Für die weitere Durchführung der Hauptverhandlung sind bislang noch die folgenden Termine angesetzt:

22., 23. und 29. November sowie 3., 7., 9., 14. und 16. Dezember 2021. Die Verhandlung beginnt jeweils um 9 Uhr am OLG Hamburg, Raum 288.

Für Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen

Die Öffentlichkeit wird weiterhin dazu aufgerufen, in die Prozesse zu gehen und diese zu beobachten. Die Prozessführung gegen Europäer:innen, die sich dschihadistischen Gruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben, ist historisch bedeutsam und bedarf dringend Beobachtung und Dokumentation, um für vollständige und lückenlose Aufklärung sowie Gerechtigkeit einstehen und kämpfen zu können. Eine bereits bestehende feministische Prozessbeobachtungsstruktur freut sich über solidarische Unterstützung von weiteren Personen, für diesen und für kommende Prozesse. Bei Interesse und Rückfragen kann man sich unter [email protected] melden.