Mitte Juni hat in Hamburg der zweite Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Omaima Abdi begonnen. Die deutsch-tunesische 36-Jährige war am 2. Oktober 2020 vor dem Hamburger Oberlandesgericht wegen Mitgliedschaft beim sogenannten Islamischen Staat und damit zusammenhängenden Verbrechen zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. In dem jetzigen Verfahren werden der Angeklagten weitere Straftaten vorgeworfen, die sie als IS-Mitglied während ihres Aufenthaltes in Syrien in den Jahren 2015 und 2016 begangen haben soll. Dazu zählt, dass sie im Frühjahr 2016 bei zwei Gelegenheiten in ihrer Wohnung eine andere mutmaßliche IS-Anhängerin in Begleitung von zwei versklavten Ezidinnen empfangen haben soll, die während der Besuche ihre Wohnung gereinigt haben sollen.
Bei der damaligen Besucherin soll es sich um die ebenfalls aus Deutschland stammende IS-Rückkehrerin Sarah O. handeln, die im Juni in Düsseldorf wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sechseinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt wurde.
Warum wurde Omaima Abdi erneut angeklagt?
Bereits im ersten Prozess gegen Omaima Abdi wurde sie zu der Versklavung von Ezidinnen durch den IS und ihre eigene Beteiligung daran befragt. Zu der Thematik berichtete eine ezidische Überlebende, welche nun als Nebenklägerin auftritt, über mehrere Verhandlungstage hinweg detailreich. Abdi erklärte zum damaligen Zeitpunkt, dass sie davon nichts wisse. Sie vertrat den Standpunkt, dass sie für Ungerechtigkeiten anderer nicht verantwortlich gemacht werden könne.
Auch im neuen Prozess beteuert sie, kein Bewusstsein über den vom IS 2014 in Şengal begangenen Genozid und Feminizid an den Ezid:innen gehabt zu haben. Dabei möchte Omaima Abdi deutlich machen, dass andere IS-Frauen schlecht mit „ihren Sklavinnen“ umgegangen wären – so auch die verurteilte Sarah O.. Sie selbst habe damit nichts zu tun gehabt und eine solche Haltung niemals vertreten.
Durch die jetzige Nebenklage wird diese Thematik erneut aufgerollt. Es geht um eine Aufklärung und Aufarbeitung der vom IS am ezidischen Volk begangenen Verbrechen. In der Verhandlung wird die Nebenklägerin derzeit durch Rechtsanwält:innen vertreten. Sie hat allerdings angekündigt, zur Urteilsverkündung selbst vor Ort zu sein.
Welche Rolle spielt Bernhard Falk?
Auffällig ist, dass zum jetzigen Prozess gegen Omaima Abdi der bekannte Islamist Bernhard Falk erscheint und im direkten Kontakt unmittelbar nach den Gerichtsverhandlungen mit Abdis Verteidiger Elobied steht. Der Name Bernhard Falk fiel bereits bei der Verlesung eines abgehörten Gesprächs im ersten Prozess gegen Omaima Abdi. Der Inhalt des Gesprächs machte deutlich, dass Bernhard Falk in der Betreuung von Gefangen aus der IS-sympathisierenden Szene eine sehr aktive Rolle einnimmt und bereits vor der Verhaftung von Omaima Abdi mit ihr im telefonischen Austausch auch bezüglich dieser Thematik stand.
Zudem ist Bernhard Falk ein bekannter Islamist, der öffentlich auftritt, eigene islamistische Bewertungen insbesondere zu Prozessen im Internet veröffentlicht, Gelder für inhaftierte Islamist:innen sammelt und auch über „Gefangenenbefreiung“ spricht. Somit stellt sich die Frage, welche Rolle Bernhard Falk im Fall Omaima Abdi spielt und welche Rolle Omaima Abdi im islamischen Netzwerk in Deutschland einnimmt.
Urteilsverkündung Ende nächster Woche
Die nächsten Verhandlungstermine sind für den 14. und 22. Juli angesetzt, Urteilsverkündung soll am 23. Juli um 10 Uhr sein. Im Falle einer Verurteilung wird nach Angaben von Gerichtssprecher Kai Wantzen im Hinblick auf das inzwischen rechtskräftige frühere Urteil vom 2. Oktober 2020 voraussichtlich eine Gesamtstrafe gebildet werden.