Hamburg: Gewalt an Frauen ist politisch!

Das „Internationale Frauenbündnis” hat vor dem OLG Hamburg eine Solidaritätskundgebung für Meryem S. und ihre beiden Kinder abgehalten. Sie waren im Mai diesen Jahres Opfer eines versuchten Dreifachmordes geworden.

Der Zusammenschluss „Internationales Frauenbündnis” (Frauensolidarität Europa) hat in Hamburg eine Solidaritätskundgebung für Meryem S. und ihre zwei Kinder abgehalten. Gerechtigkeit statt patriarchaler Justiz, sowie die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention sind ihre Forderungen, die sie am Montag vor dem Oberlandgericht (OLG) Hamburg stellten.

Im Mai diesen Jahres hatte der Kurde Kalender E. im Hamburger Stadtteil Lurup versucht, seine Ex-Partnerin sowie die beiden gemeinsamen Kinder zu ermorden, indem er sie mit einem Messer lebensgefährlich verletzte, mit Benzin übergoss und anzündete. Alle drei überlebten, teilweise schwer verletzt. Seit dem 13. November muss sich der Mann vor Gericht verantworten. Meryem S. konnte heute per Videoschaltung aussagen, damit sie im Gerichtssaal nicht auf ihren ehemaligen Partner treffen muss.

Femizide in der Corona-Pandemie sichtbarer geworden

Der Unterstützungskreis von Meryem S. weist darauf hin, dass Gewalt an Frauen und Femizide in der Corona-Pandemie sichtbarer geworden, aber dennoch fest und strukturell durch das patriarchale Herrschaftssystem in der Gesellschaft verankert sind. Das vermeintliche Erwachen in der Politik ignoriere die Alltäglichkeit von Gewalt gegen Frauen, kritisiert der Kreis. Damit Frauenrechte nach der Pandemie nicht wieder von der politischen Agenda verschwinden, sei ein breiter gesellschaftlicher, sowie politischer Kampf notwendig. Ein wichtiger Aspekt im Frauenschutz sei die Umsetzung der ratifizierten Istanbul-Konvention, zu der sich Deutschland ebenfalls verpflichtet hat. Bereits vor acht Jahren beschloss der Europarat die sogenannte Istanbul-Konvention. Seit Februar 2018 ist sie geltendes Recht in Deutschland. Gemäß der Einwohnerzahl müsse es in Deutschland 21.400 Frauenhausplätze geben, tatsächlich sind es nur 6.800. Neun Jahre nach der Beschließung fehlen hierzulande immer noch 14.600 Plätze für Frauen in Not, die Opfer patriarchaler Gewalt werden und fast immer auch für Kinder, die massiv unter der Gewalt in ihren Familien leiden.

Innerfamiliäre Probleme sind niemals Privatsache

„Ebenso mitverantwortlich ist der Staat und das kapitalistische Patriarchat, die auf Ungleichheit und Unterdrückung gebaut sind. Der Begriff Feminizid beschreibt die Rolle staatlicher Institutionen und Akteure in der Bekämpfung von Tötungen von Frauen. Das heißt, welche Maßnahmen werden von staatlicher Seite getroffen und welche nicht, um Tötungen zu verhindern. Ebensowenig darf übersehen werden, dass auch Männer in  unseren Strukturen, die verbal für Freiheit, Revolution, linkes oder sozialistisches Denken und Geschlechtergerechtigkeit eintreten, in der Praxis reaktionär, feudal, gewaltätig und despotisch sein können. Innerfamiliäre Probleme sind niemals Privatsache, das Private ist politisch”, so das Bündnis.

FLINT-Demonstration am 25. November am Jungfernstieg

Neben Frauen und Mädchen seien aber auch trans-, inter- und nicht binäre Menschen betroffen. Das Frauenbündnis ruft dazu auf, den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November zum Anlass zu nehmen, Femizide als solche zu benennen und die Alltäglichkeit von patriarchaler Gewalt sichtbar zu machen. In Hamburg wird es dazu eine FLINT-Demonstration am Jungfernstieg um 18h geben.

Kein Platz für patriarchale Gewalt in emanzipatorischer Gesellschaft

„In einer emanzipatorischen Gesellschaft kann es keinen Platz für patriarchale Gewalt geben, deshalb sollten sich alle von der patriarchalen Mentalität Unterdrückten zusammenschließen und organisieren, die Strukturen systematisch hinterfragen und verändern. Radikaldemokratische, antifaschistische und feministische Alternativen entwickeln und auf internationaler Ebene in verschiedenen Zusammenhängen und Foren diskutieren und das Recht auf der Straße gegen Staat und Macht gemeinsam erkämpfen. Wir müssen unser Schweigen brechen, patriarchale Verhaltensweisen in keinem Moment unseres Alltags akzeptieren, geschlechterbezogene Gewalt thematisieren und Brücken der Solidarität miteinander bauen, einschreiten, wenn wir Zeug*innen von Übergriffen und Attacken werden”, so die Unterstützer*innen von Meryem S. und ihren Kindern.