Der Frauenrat Rojbîn und die feministische Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ verurteilen einen Feminizidversuch in Hamburg. Am Freitag hat ein Mann laut Medienberichten im Stadtteil Lurup seine Exfrau und seine zwei Kinder lebensgefährlich verletzt. In der gemeinsamen Erklärung der beiden Frauenorganisationen heißt es:
„Der Mann soll angemeldet in die Wohnung seiner Exfrau und seiner zwei Kinder gekommen sein. Hier soll er die Mutter mit einem Messer attackiert und schwer verletzt haben. Danach soll er seinen zehnjährigen Sohn mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und vor den Augen seiner zwölfjährigen Schwester angezündet haben. Durch die Stichflamme soll auch der Täter verletzt worden sein. Dieser soll, nach Zeugenaussagen vor Ort, schließlich brennend auf dem Balkon gestanden und ‚Alle sollen brennen!‘ gerufen haben. Die Frau und ihr Sohn wurden mit Rettungshubschraubern ins Krankenhaus gebracht. Auch die Tochter wurde durch das Feuer verletzt. Die Frau liegt nun im Koma, die beiden Kinder sind außer Lebensgefahr, 40 Prozent der Haut des Jungen jedoch sind verbrannt.
Über Drehleitern retteten Feuerwehrmänner die Menschen aus den darüber liegenden Wohnungen. Mehrere von ihnen hatten eine Rauchvergiftung, insgesamt 18 Menschen mussten vom Rettungsdienst versorgt werden. Beamte der Mordkommission haben die Ermittlungen aufgenommen.
Es handelt sich bei dem Angriff auf die Frau und ihre beiden Kinder um einen gezielten Mordversuch, einen versuchten Feminizid. Der Täter brachte Messer und Benzin mit in die Wohnung, meldete sich vorher telefonisch an und sagte, er habe ‚eine Überraschung‘. Die Frau hatte sich vor mindestens sechs Jahren getrennt, der Täter hatte Kontakt zu seinen Kindern. Die angegriffene Frau ist politisch aktiv. Auch der Täter ist zumindest früher politisch in linken Strukturen aktiv gewesen.
Der Mordversuch ist der dritte innerhalb der kurdischen Community in diesem Jahr. Zuletzt war Besma A. aus Şengal in Einbeck von ihrem Ehemann Cemal A. ermordet worden. Besma A. war Mutter von drei Kindern, das älteste ist sechs Jahre alt. Ende Februar dieses Jahres wurde Onalia Çendy in Dortmund von ihrem Ehemann ermordet, sie war zuvor vor dem IS aus Şengal geflohen.
Als Frauenorganisationen verurteilen wir den versuchten Mord an der Frau und ihren Kindern aufs Schärfste. Es macht uns sehr traurig, dass wir nicht rechtzeitig eingreifen, sie und ihre Kinder nicht schützen konnten.
2019 wurden in der Bundesrepublik mindestens 135 Frauen und 15 Kinder zumeist durch ihre (Ex-)Partner getötet, weitere 63 Frauen zum Teil lebensgefährlich verletzt, fünf weitere sehr wahrscheinlich ebenfalls getötete Frauen werden noch vermisst. Von allen in Deutschland getöteten Frauen stirbt fast die Hälfte durch die Hand des Mannes, der vorgibt, sie zu lieben: ihres (Ex-)Ehemanns oder Lebensgefährten. Da es so viele sind – 135 Tote im Jahr 2019, ein Opfer jeden dritten Tag –, könnte man vermuten, es gebe in der Öffentlichkeit den Wunsch, diese Taten als das zu benennen, was sie sind: Feminizide. Das Gegenteil ist der Fall, die Taten werden häufig als Beziehungstaten verharmlost.
Als Teil der Frauenbewegung führen wir auch in diesem Ausnahmezustand unsere Kampagnen und Arbeiten gegen Gewalt fort. Wir wollen, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen und ihre Selbstverteidigung stärken. Was uns aus der Gewalt und Unterdrückung befreien kann, ist der Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen.
Wir fragen ausdrücklich nicht, warum dieser Mann diese Tat begangen hat, denn dafür gibt es keine Entschuldigung und keine Erklärung, die uns zufrieden stellen würde. Wir fordern ausdrücklich bessere Schutzkonzepte für Frauen und Kinder und rufen alle Frauen auf, sich gegen Gewalt zu organisieren und sich gemeinsam selbst zu verteidigen. Wir hoffen und wünschen der Frau und ihren Kindern viel Kraft, um die Folgen des Angriffs zu überstehen."