Hoffnung allein reicht für Frieden nicht aus
Nach dem von Abdullah Öcalan am 27. Februar veröffentlichten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ wurden in vielen Regionen Kurdistans politische und zivilgesellschaftliche Initiativen gestartet – insbesondere unter der aktiven Beteiligung von Frauen. In Nordkurdistan fällt die Mobilisierung deutlich ins Auge: Frauen, die sich selbst als Vorreiterinnen einer „kurdischen Renaissance“ verstehen, gestalten den Prozess nicht nur vor Ort, sondern vernetzen ihre Arbeit auch länderübergreifend.
Ein zentrales Element dieser Bemühungen war die Konferenz kurdischer Parlamentarierinnen, die kürzlich in Amed (tr. Diyarbakır) stattfand. Frauen aus allen vier Teilen Kurdistans diskutierten Herausforderungen, Friedensperspektiven und ihre Rolle in der laufenden politischen Dynamik. Eine der Teilnehmerinnen war die ehemalige HDP-Abgeordnete und TJA-Aktivistin Gülser Yıldırım.
„Ein notwendiger, wenn auch überfälliger Schritt“
In ihrer Einschätzung betonte Yıldırım, die Konferenz sei ein bedeutendes Zeichen für die wachsende Einheit kurdischer Frauen. „Dieser Schritt kam spät, aber er war und ist sehr wertvoll. Die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung, insbesondere der Frauen, verlangt eine gemeinsame Haltung“, sagte sie. Die Tagung habe gezeigt, dass der Wille zur Einheit real sei, insbesondere angesichts der fortgesetzten Angriffe auf kurdische Frauen, etwa durch Hinrichtungen in Iran.
„Unsere Reaktion muss kollektiv sein“
Yıldırım verwies auf die jüngsten Exekutionen kurdischer Frauen in Iran und Ostkurdistan (Rojhilat) und betonte, dass dies nicht nur Frauen, sondern das gesamte kurdische Volk betreffe. „Wir haben auf der Konferenz diskutiert, wie wir als Parlamentarierinnen darauf reagieren können. Solche Angriffe fordern eine gemeinsame politische Antwort. Es ist höchste Zeit, Verantwortung füreinander zu übernehmen.“
Einheit durch kollektive Erinnerung und Vision
Inhaltlich war die Konferenz stark geprägt von historischen Bezügen – von Dersim bis Anfal, von Leyla Qasim bis Arîn Mîrkan. „Diese kollektive Erinnerung ist Teil unserer gemeinsamen Identität“, so Yıldırım. Ein zentrales Ergebnis sei der Vorschlag, eine länderübergreifende Kommission kurdischer Frauenvertreterinnen zu schaffen.
Zugleich hob sie die Bedeutung des Friedensaufrufs von Abdullah Öcalan hervor. Eine Abgeordnete aus Südkurdistan habe die Initiative begrüßt, was Yıldırım als Zeichen wachsender Offenheit für Dialog und Lösung interpretierte.
„Wir brauchen ein Modell des Zusammenlebens, das alle Religionen, Ethnien und Kulturen integriert – einen gesellschaftlichen Boden, auf dem Vielfalt gelebt werden kann“, sagte sie.
„Nicht nur Hoffnung, sondern organisierte Bewegung“
Yıldırım appellierte an alle Beteiligten, die neu entstandene Dynamik nicht zu unterschätzen: „Wenn uns das Schicksal der Frauen in Rojava bewegt, müssen wir dieselbe Empathie auch für die hingerichteten Frauen in Rojhilat zeigen.“ Hoffnung allein sei dabei nicht ausreichend:
„Ja, wir haben Hoffnung, aber das reicht nicht. Wir müssen uns organisieren, arbeiten und unsere Einheit stärken. Die Frauen sind dabei nicht nur Begleiterinnen, sondern Protagonistinnen dieses Prozesses.“
Yıldırım rief abschließend dazu auf, die Einheit der Kurd:innen nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu leben; als konkrete, grenzübergreifende politische Praxis.