Im Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy ist eine Gemeinschaftszelle von einem Sondereinsatzkommando gestürmt worden. Eine politische Gefangene in Untersuchungshaft wurde zur DNA-Entnahme in ein Krankenhaus verschleppt. Menschenrechte scheinen in der Türkei nur für Anhänger der Regierung zu gelten.
Wie das Rechtsbüro der Unterdrückten (Ezilenlerin Hukuk Bürosu, EHB) mitteilt, ereignete sich die Durchsuchung am gestrigen Donnerstag. Bei der Betroffenen handelt es sich um die Gefangene Esin Kavruk, die am 11. Oktober aufgrund ihrer Kritik an der türkischen Invasion in Nord- und Ostsyrien verhaftet wurde. Kavruk hatte sich in Beiträgen in sozialen Netzwerken entschieden gegen den völkerrechtswidrigen Angriff auf Rojava positioniert. Nur zwei Tage nach Beginn des Krieges wurde sie festgenommen.
Nach der Überstellung Kavruks in die Haftanstalt Bakirköy erwirkte die Staatsanwaltschaft auf Betreiben der Polizei bei der 5. Strafabteilung des Amtsgerichts Istanbul einen richterlichen Beschluss für eine DNA-Entnahme, um sie mit „Datensätzen von biologischen Tatortspuren aus bisher nicht aufgeklärten Ermittlungen” zu vergleichen. Dagegen hatte ihre Anwältin Gülizar Tuncer Rechtsmittel eingelegt, da nur Beschuldigten einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtigten Personen zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters Körperzellen entnommen und untersucht werden können. Gegen Kavruk hingegen wird „nur” wegen Terrorpropaganda ermittelt. Die Entscheidung steht noch aus.
Laut Tuncer beteiligten sich an der Stürmung der Zelle B-6 rund 100 Polizisten und Soldaten. „Alle 16 Insassinnen wurden getreten und an den Haaren über den Boden geschleift. Die Zelle wurde durchsucht und verwüstet, außerdem wurden Bücher und andere Gegenstände der Frauen beschlagnahmt. Nachdem sie gewaltsam aus ihrer Gemeinschaftszelle gezerrt worden waren, verbrachten sie mehr als fünf Stunden in Einzelzellen.” Angehörigen zufolge soll die Gefangene Dilek Geçgin durch einen gezielten Tritt in den Genitalbereich verletzt worden sein. Ihre Mitgefangene Zeynep Gerçek erlitt massive Verletzungen am Rücken.
Auch Esin Kavruk wurde in den Rücken getreten. Das Sondereinsatzkommando brachte sie in das Krankenhaus Haseki im Stadtteil Fatih. Beamte der Antiterrorpolizei übergaben sie dort anschließend an Ärzte der Gerichtsmedizin. Vor einigen Wochen wurde Kavruk schon mal für eine DNA-Entnahme in ein Istanbuler Krankenhaus gebracht. Sie weigerte sich, eine Blut- und Speichelprobe abzugeben, so dass die DNA-Identitätsfeststellung nicht durchgeführt werden konnte. Da die Polizei aber nicht locker lässt, wird vermutet, dass Kavruk eine Straftat angehängt werden soll.
Menschenrechtsorganisationen in der Türkei machen immer wieder auf die sich verschärfende Lage in den Gefängnissen, Folter, Misshandlungen von Inhaftierten sowie die miserablen Haftumstände aufgrund der starken Überbelegung aufmerksam, um eine breite Öffentlichkeit zu mobilisieren. Bisher ohne Erfolg.