Gedenken nach Femizid an Frau in Göttingen

In Reaktion auf den Mord an einer vierfachen Mutter in Göttingen durch ihren Ex-Partner versammelten sich über 300 Menschen zu einer Veranstaltung, um der Ermordeten zu gedenken und gemeinsam ein Zeichen gegen Femizide zu setzen.

Vierfache Mutter von Ex-Partner ermordet

Deutlich mehr als 300 Personen kamen am Mittwochabend in der Göttinger Innenstadt zusammen, um gemeinsam einer Frau zu gedenken, die Sonntagnacht in Göttingen von ihrem Ex-Partner ermordet wurde. Das frühere Paar lebte getrennt und viele, die die Ermordete – ihr Name war Walaa – persönlich kannten, sprachen von ihr als besonders starke und unabhängige Frau mit Humor und viel Gemeinschaftsgefühl. Mit großer Stärke und Hingabe habe sie sich um ihre vier Kinder gekümmert. Vier Kinder, die traumatisiert zurückbleiben.

„Wir müssen leben. Stoppt Femizide!“

„In Gedenken an Waala, ermordet am 5. Mai 2024“ stand auf einem kunstvoll gestalteten Banner, auf dem auch „Wir müssen leben. Stoppt Femizide!“ zu lesen war. Zu der Veranstaltung aufgerufen hatte eine breite Gruppe an Personen und Institutionen unter Initiative des Netzwerkes gegen Femizide Göttingen. „Wir alle sind in Trauer und Wut über dieses gewaltsam entrissene Leben einer der unseren“, sagte eine Person aus dem Netzwerk mit trauriger, aber fester Stimme. „Als wir Sonntag von dem Femizid erfahren haben, haben wir uns direkt zusammengesetzt und alle Institutionen, Gruppen und auch Einzelpersonen in Göttingen zusammengerufen, die in Frauenberatungen, Schutzeinrichtungen oder anderweitig zu geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten und sich verbunden fühlen. Wir wollen niemanden in der Trauer, aber auch der Wut über diese Tat allein lassen. Und wir sind viele, wir sind stark, wir sind überall und wir stehen zusammen.“

„In Gedenken an Waala, ermordet am 5. Mai 2024“ (c) Henrik Bammel

Ergriffen, dankbar, bewegt

„Ich bin sehr ergriffen, dankbar und bewegt, dass heute hier so viele Menschen zusammengekommen sind, um Walaa zu gedenken und diesen Mord als Feminizid zu benennen“, sagte Paula vom Anti-Femizid-Bündnis einleitend. Sie sei sprachlos gewesen, als sie von der Tat erfahren habe, in Schock, in Trauer und in Schmerz. „Aber dann kam die Wut. Die Wut darüber, dass Waala, dieser starken und selbstbewusste Frau auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben, eben das entrissen wurde.“ Und Wut darüber, dass dies kein Einzelfall, kein Einzelschicksal sei. Denn Gewalt gegen Frauen sei alltäglich, überall und habe System. „Jeden dritten Tag wird eine Frau umgebracht, weil sie eine Frau ist. Weil sie sich nicht den Vorstellungen der Männer beugen will, weil sie selbstbestimmt leben will“, führte Ariana vom Netzwerk in einem Redebeitrag aus. Genauso verhalte es sich mit der Gewalt, mit Abwertung und Unterdrückung die Frauen im Alltag erfahren. 

Blumen und Kerzen für Walaa (c) Henrik Bammel

Femizid hat System; es heißt Patriachat

„Diese Taten haben System und dieses System hat gesamtgesellschaftliche Ursachen – dieses System nennt sich Patriarchat“, sagte die Aktivistin Paula mit fester klarer Stimme in das Mikrofon. „Wenn Frauen sich nicht mehr ihrer Rolle im Patriarchat unterwerfen wollen, bringen sie sich in Gefahr. Auch hier auf diesem Platz sind Frauen, die Angst davor haben, dass ihnen dasselbe passiert wie Walaa.“ Es sei wichtig zu sehen, zu zeigen, zu spüren, dass hier alle zusammenstehen gegen diese Gewalt und ein gewaltvolles System der Unterdrückung. „Unsere Herzen schmerzen, unsere Wut lodert und unsere Hände sind verschränkt miteinander – wir stehen zusammen! Erheben wir uns Schwestern, erheben wir uns!“ Gefühlvolle, kraftvolle Worte, die über den Marktplatz schallten und die Stimmung der Gekommenen in Worte fassten. 

Kerzen, Blumen und Chor für Walaa

Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Chor, der das Lied Canción sin Miedo sang, ein Lied aus Südamerika, das sich konkret gegen Femizide richtet. Dann wandten sich die Menschen auf dem Platz dem Brunnen zu, an dem Kerzen und Blumen niedergelegt worden waren. Im Gedenken an Walaa, deren Stärke das Patriarchat nicht ertragen konnte, und die, wie so viele andere von uns schon zuvor, aus diesem Grund dem Leben entrissen wurde. Und es ist spürbar auf dem Platz:  Das gemeinsame Gedenken und der gemeinsame Kampf gegen diese Gewalt an Frauen vereint die Menschen, spendet Trost, Kraft und schafft eine Perspektive für die Zukunft.