Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die Iranerin Narges Mohammadi. Das teilte das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Norwegens Hauptstadt Oslo mit. Die Frauenrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin wird für ihren „Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen in Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle“ geehrt, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Damit würden auch die tausenden Menschen gewürdigt, die in Iran unter enormen persönlichen Risiken gegen die Diskriminierung von Frauen auf die Straße gingen. Auch Mohammadis mutiger Kampf sei mit persönlichen Opfern verbunden gewesen.
Narges Mohammadi wurde 1972 in Zandschan im Nordwesten Irans geboren und wuchs unter anderem in den kurdischen Städten Qurwe (Qorveh) und Şino (Oschnaviyeh) auf. Sie arbeitete als Journalistin und ist stellvertretende Vorsitzende des iranischen Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte Defenders of Human Rights Center (DHRC). Im Widerstand um die Rechte der Frauen in Iran ist sie seit drei Jahrzehnten. Dafür zahlt Mohammadi einen hohen Preis: Ihre Biografie ist eine Geschichte von Verhaftungen, Gewalt und Folter.
Insgesamt habe das Regime Mohammadi 13-mal verhaftet, fünfmal verurteilt und sie mit insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 Peitschenhieben bestraft, sagte Reiss-Andersen. Auch derzeit ist die 51-Jährige inhaftiert und verbüßt im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran eine langjährige Freiheitsstrafe. Ende 2022, während der Hochphase der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution gegen den Machtapparat des Mullah-Regimes, deckte sie in einem Bericht mutmaßliche Folter an Dutzenden Frauen in dem Hochsicherheitsgefängnis auf. Der Aufstand hatte sich im September vergangenen Jahres am staatlichen Feminizid an der Kurdin Jina Mahsa Amini entzündet, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleidungsvorschriften in Polizeigewahrsam zu Tode misshandelt wurde. Die Proteste wurden vom Regime blutig niedergeschlagen – und die Kleidergesetze für Frauen mittlerweile weiter verschärft worden. Seit Sonntag liegt die 16-jährige Armita Geravand nach einem Übergriff von sogenannten „Sittenwächterinnen“ in der Teheraner U-Bahn in einem Krankenhaus im Koma. Auch ihr werde vorgeworfen, gegen die Regeln zur Verschleierung verstoßen zu haben.
UN: Irans Frauen eine „Inspiration für die Welt“
Narges Mohammadi ist nach der Anwältin Shirin Ebadi die zweite Iranerin, die den Friedensnobelpreis erhält. Die Verleihung des Preises an sie stieß international auf Anerkennung und Lob. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) erklärte am Freitag, die Auszeichnung Mohammadis unterstreiche den Mut und die Entschlossenheit iranischer Frauen. „Wir haben ihren Mut und ihre Entschlossenheit angesichts von Repressalien, Einschüchterung, Gewalt und Inhaftierung gesehen“, sagte OHCHR-Sprecherin Elizabeth Throssell in Genf. „Sie wurden für das, was sie tragen oder nicht tragen, schikaniert. Es werden immer strengere rechtliche, soziale und wirtschaftliche Maßnahmen gegen sie verhängt. Das ist wirklich etwas, das den Mut und die Entschlossenheit der Frauen im Iran unterstreicht und zeigt, wie inspirierend sie für die Welt sind.“ Gleichzeitig wiederholte Throssell die Forderung nach einer Freilassung Mohammadis: „Wir und andere Partner des UN-Menschenrechtssystems haben wiederholt ihre Freilassung gefordert“.
Preise werden am 10. Dezember übergeben
Der mit elf Millionen Schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) dotierte Preis wird am 10. Dezember in Oslo verliehen – dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). An wen der seit 1901 vergebene Preis geht, entscheiden die fünf Mitglieder des norwegischen Nobelpreiskomitees, die vom norwegischen Parlament ernannt werden. Der Friedensnobelpreis ist der einzige Nobelpreis, der nicht in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, sondern in Oslo vergeben wird. Dort waren von Montag bis Donnerstag bereits die Preisträgerinnen und Preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Literatur verkündet worden.