In Iran ist eine 16-jährige Jugendliche nach einem Übergriff in der U-Bahn der Hauptstadt Teheran ins Koma gefallen. Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen, darunter das Center for Human Rights in Iran (CHRI) mit Sitz in New York, wurde Armita Geravand bei einer Konfrontation mit weiblichen Angehörigen einer Sondereinheit der sogenannten Sittenpolizei verletzt. Sie liegt derzeit unter verschärften Sicherheitsbedingungen im Krankenhaus.
Armita Geravand ist Kurdin und stammt aus Kirmaşan (Kermanschah). Dem CHRI nach war die Schülerin am Sonntag mit Freundinnen in Teheran unterwegs, als sie an der U-Bahn-Station Schohada von Sittenpolizistinnen der neuen „Hidschab-Wache“ in Gewahrsam genommen wurde. Der erst in diesem Jahr ins Leben gerufenen Sondereinheit der Moralpolizei sollen allein in Teheran rund 400 Beamtinnen angehören, die an Straßenbahn- und Bushaltestellen, geschlossenen öffentlichen Orten, im Handel und Museen die islamistischen Kleidungsvorschriften durchsetzen sollen.
Dem in Amsterdam ansässigen persischsprachigen Radiosender „Radio Zamaneh“ zufolge erlitt Geravand, die Taekwondo-Athletin sein soll, bei dem Angriff eine schwere Kopfverletzung, nachdem sie von Beamtinnen gegen eine Haltestange gestoßen wurde. Iranische Regime-Behörden erklärten hingegen, Geravand sei wegen „niedrigen Blutdrucks“ in der U-Bahn ohnmächtig geworden. Es habe keinerlei Auseinandersetzung mit Sicherheitskräften gegeben.
In sozialen Medien wurde indes ein Video verbreitet, das den Vorfall zeigen soll. Darin ist zu sehen, wie ein Mädchen, das offenbar keine Kopfbedeckung trägt, von Polizistinnen in eine U-Bahn gestoßen wird. Es handelt sich offensichtlich um Armita Geravand. Laut dem CHRI wird die kurdische Jugendliche im Teheraner Militärkrankenhaus Fadschr unter verschärften Sicherheitsbedingungen behandelt, nicht einmal Familienangehörige dürften sie besuchen.
Wie die Organisation außerdem mitteilte, nahmen iranische Regimekräfte am Montag eine Journalistin fest, die zu dem Fall recherchierte. Die Reporterin Maryam Lotfi wollte wohl ein Interview mit Geravands Mutter führen, als sie in Gewahrsam genommen wurde, erklärte die reformorientierte Zeitung „Schargh“, für die Lotfi arbeitet. Sie ist demnach mittlerweile wieder auf freiem Fuß.
Seit dem staatlichen Feminizid an der Kurdin Jina Mahsa Amini blicken die Behörden des iranischen Regimes mit erhöhter Aufmerksamkeit auf mögliche Anlässe für Proteste. An dem gewaltsamen Tod der 22-Jährigen nach einer Festnahme durch die Teheraner Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleidungsvorschriften hatten sich im September 2022 die „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution entzündet, die ausgehend von Aminis Geburtsstadt Seqiz in Rojhilat das ganze Land erfasste.
In den vergangenen Wochen hatte das Mullah-Regime den Druck auf Frauen erhöht, die strengen Kleidungsvorschriften zu befolgen. Außerdem stimmten Abgeordnete des iranischen Parlaments für ein neues „Hidschab- und Keuschheitsgesetz“. Die Reform sieht in ihrer jüngsten Fassung strenge Strafen bei Missachtung der Kleidungsregeln des Regimes vor. Wer künftig gegen die Kopftuchpflicht verstoßt, muss mit harten Strafen wie über 5.000 Euro Geldbußen, bis zu 15 Jahren Haft und Sozialstrafen rechnen, darunter Umerziehungskurse und Ausreisesperren. Ausländerinnen könnten des Landes verwiesen werden.