Seit mittlerweile acht Monaten fordert Emine Şenyaşar zusammen mit ihrem Sohn Ferit vor dem Gerichtsgebäude in Riha (tr. Urfa) Gerechtigkeit für ihren ermordeten Mann und ihre Söhne ein. Die Mahnwache stößt auf breite Unterstützung innerhalb der kurdischen Gesellschaft und wird von verschiedenen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen begleitet. Am Montag kamen mehr als hundert Frauen von der Initiative der Friedensmütter aus den Städten Mêrdîn, Şirnex, Wan, Colemêrg (Hakkari), Amed (Diyarbakir), Êlih (Batman) und Istanbul vor dem Justizpalast zusammen, um ihre Solidarität mit Emine Şenyaşar und ihrem Kampf auszudrücken. Unter ihnen waren auch einige Angehörige von politischen Gefangenen. Die Polizei kesselte die Delegationen jedoch mit Verweis auf die hohe Anzahl der Aktivistinnen ein und verweigerte den Zutritt zum Platz, wo die Mahnwache stattfindet.
„Es lebe der Widerstand von Emine Şenyaşar”
Ein Zusammentreffen von Emine Şenyaşar mit den Friedensmüttern konnte die Polizei aber nicht verhindern. Die 70-Jährige lief zusammen mit ihrem Sohn in den Polizeikessel und protestierte gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Friedensmütter begrüßten sie mit Applaus und der Parole „Es lebe der Widerstand von Emine Şenyaşar”. Zekiye Kaya vom Rat der Friedensmütter in Wan sicherte der Familie ihre volle Unterstützung zu und forderte die Öffentlichkeit auf, den Gerechtigkeitskampf der Şenyaşars zu verteidigen. „Ihre Forderungen sind auch unsere Forderungen. Wir wollen, dass Emine Şenyaşar Gerechtigkeit widerfährt und die Mörder ihrer Familienmitglieder bestraft werden.”
Emine Şenyaşar geht durch die Polizeiabsperrung vor dem Justizpalast in Riha
Mahnwache seit dem 9. März
Seit dem 9. März fordert Emine Şenyaşar mit ihrer Mahnwache vor dem Justizpalast in Riha Gerechtigkeit für ihren Ehemann Hacı Esvet und ihre Söhne Celal und Adil. Die drei sind im Juni 2018 in der Kreisstadt Pirsûs (Suruç) Opfer von Lynchmorden geworden, die von einem Mob aus Leibwächtern und Verwandten des AKP-Abgeordneten Ibrahim Halil Yıldız ausgeführt wurden. Nur einer von zwei Dutzend beteiligten Angreifern sitzt im Gefängnis. Das Verfahren wird verschleppt, die türkische Justiz zeigt kein Interesse an einer Aufklärung der Morde und Bestrafung der Täter. Stattdessen werden die Hinterbliebenen zu Opfern systematischer Repression.
Weiße Kopftücher gelten als Symbol der kurdischen Friedensmütter
Forderung nach Freilassung von Fadıl Şenyaşar
Die aus Colemêrg angereiste Friedensmutter Fazile Polat thematisierte bei der Zusammenkunft die Zustände in den türkischen Gefängnissen und die völlige Entrechtung der politischen Gefangenen. Dabei ging sie auch auf das Schicksal von Fadıl Şenyaşar ein, einem weiteren Sohn von Emine Şenyaşar. Dieser überlebte wie sein Bruder Ferit den Angriff vor knapp dreieinhalb Jahren nur knapp, wurde von der türkischen Justiz jedoch zu knapp 38 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, einen der Angreifer getötet zu haben, obwohl er nachweislich nicht auf den Mann geschossen hat. Augenzeugen zufolge wurde dieser durch einen Querschläger der Schüsse der Leibwächter getötet.