Frauenrat Arjin auf 8.-März-Demonstration in Nürnberg

Der Frauenrat Arjin beteiligte sich heute mit einer kämpferischen Rede an der zentralen Demonstration zum 8. März in Nürnberg. Dabei wurde der Aufbau selbstorganisierter und solidarischer Strukturen betont.

Der Frauenrat Arjin des kurdischen Gesellschaftszentrums Nürnberg beteiligte sich mit einer kämpferischen Rede an der zentralen Demonstration zum 8. März in Nürnberg. Dabei wurde die Notwendigkeit der Überwindung der vom Neoliberalismus geprägten Persönlichkeit und der Aufbau selbstorganisierter und solidarischer Strukturen betont.

Das 8.März-Bündnis, ein Zusammenschluss vieler deutscher und migrantischer Organisationen in Nürnberg, rief gemeinsam mit dem Frauenstreik-Komitee auf, dem Patriarchat, der Gewalt und Ausbeutung in der Kapitalistischen Moderne eine klare Absage zu erteilen. Insgesamt über 1.400 Menschen folgten dem Aufruf. In vielen Redebeiträgen wurde eine breite Palette von Themen angesprochen.

„Der Kampf für bessere und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen ist auch ein zentraler feministischer Kampf“, meint die Interventionistische Linke (iL). Durch den bundesweit ausgerufenen Frauenstreik solle eine Verweigerungshaltung gegen Unterdrückung, Ausbeutung und die Unsichtbarkeit von Frauenarbeit zum Ausdruck gebracht werden.

In anderen Reden ging es um den anti-feministischen Rollback der Rechten und die rassistischen Übergriffe. Immer wieder angesprochen wurde das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, die Gewalt gegen Frauen und die Forderung, angstfrei den öffentlichen Raum nutzen zu können.

Während der lautstarken Demonstration schwebten aus einem Fenster als solidarischer Gruß an die Freiheitsbewegung Ballons mit den Symbolen der YPJ, YPG und PKK.

Der Frauenrat vom Medya Volkshaus Nürnberg e.V. verteilte eine Informationsschrift der kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) und richtete seine kämpferische Ansprache vor allem an die jugendlichen Zuhörerinnen, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen:

Als kurdische Frauenbewegung in Europa tragen wir heute mit vielen anderen Frauen auf der Welt unsere Wut gegen Nationalismus, Rassismus und Sexismus auf die Straße. Heute wird unsere Stimme zu einer gemeinsamen Stimme und unsere Kraft zu einer gemeinsamen Kraft. Wir wissen: Wir können diese Welt verändern, wenn wir uns organisieren und beginnen, das freie Leben aufzubauen.

‚Die schönste Frau ist die Frau, die frei lebt‘, sagt Rêber APO. Unser Ziel ist die Einheit von freien Frauen mit Männern, die ihr Herrschaftsdenken überwunden haben. Lassen wir die 5000 Jahre alte patriarchale Kultur hinter uns, denn das ist die Kultur der Vergewaltiger.

In der kapitalistischen Moderne will man uns einreden, wir würden frei leben. Aber es ist kein Zeichen von Freiheit, das neueste Handy zu besitzen. Ihr seid nicht frei, wenn ihr euch wie Schaufensterpuppen anzieht und euch zu Objekten degradieren lasst. Ihr seid nicht frei, wenn ihr brav seid und schweigend den männlichen Standards nacheifert.

Gewalt gegen Frauen, staatliche Gewalt und kapitalistische Ausbeutung können nicht getrennt betrachtet werden. Die Befreiung der Frau ist nur möglich, wenn wir den Kapitalismus, den Nationalstaat und das Patriarchat gleichermaßen in Frage stellen.

Wir wissen, dass wir dabei auch gegen die eigene, vom Neoliberalismus geprägte Persönlichkeit ankämpfen müssen. Dieser Kampf gelingt am besten in selbst-organisierten und solidarischen Strukturen. Überall dort, wo sich die Freiheitsbewegung die Macht erkämpft habt, gibt es autonome Frauenstrukturen. Sie weisen den Weg zu einem freien Leben im Einklang mit der Natur. Darin sehen wir die Alternative zum Patriarchat und zum mörderischen Rassismus. Wir nennen das die Revolution der Frauen. Sie hat viele Vorkämpferinnen, an deren Erbe wir uns heute erinnern.

Wir feiern heute die kämpfenden Frauen wie Rosa Luxemburg und Clara Zetkin.

Wir feiern die Guerilla-Kämpferinnen in den Bergen und die Mütter in Rojava, die ihre Revolution verteidigen.

Wir feiern die Kämpferin der YPJ, Arîn Mîrkan. Sie opferte sich für das freie Leben und gilt als das Symbol des Widerstands von Kobanê.

Wir feiern Sakine Cansız, die Mitbegründerin der PKK. Sie legte den Grundstein für die Entstehung der kurdischen Frauenbewegung. Ihr ganzes Leben war ein Kampf um die Befreiung der Frau. Sie wurde zusammen Fidan Doğan und Leyla Söylemez im Januar 2013 in Paris auf Anordnung des türkischen Geheimdienstes ermordet.

Wir feiern Hevrîn Xelef, Politikerin der syrischen Zukunftspartei. Sie wurde am 12. Oktober 2019 in einem Hinterhalt von einer mit der Türkei verbündeten dschihadistischen Miliz in Nordsyrien hingerichtet.

Wir feiern all die mutigen Frauen, die sich einer hierarchischen Geschlechterordnung widersetzen und zeigen, dass eine solidarische Zukunft möglich ist.

Wir feiern heute jede einzelne Frau, die Grenzen überwindet und an der Organisierung einer freien Gesellschaft mitwirkt.

Wir wehren uns dagegen, den Feminismus zu einem oberflächlichen Label zu machen, das die Überlegenheit der westlichen Kultur vor Augen führen soll. Unser Feminismus hält sich nicht auf mit Quoten oder frechen feministischen Sprüchen. Unser Feminismus geht einher mit der Entwicklung der Persönlichkeit. Unser Feminismus lebt in unseren genossenschaftlichen Beziehungen und gründet sich auf Solidarität, Respekt und Mut.

Lernen wir, dass wir nur uns selbst gehören. Lernen wir, uns selbst zu vertrauen. Ohne uns Frauen gibt es kein Leben. Ohne uns Frauen steht die Welt still.

Wir laden euch ein, gemeinsam mit unserer Bewegung für ein freies Leben zu kämpfen. Wir können diese Welt verändern, wenn wir uns zusammenschließen!

Unsere Parole ist Leben – Frauen – Freiheit / Jin Jiyan Azadî!