Femizid in Semsûr

Ein 36-Jähriger hat in Semsûr seine zehn Jahre jüngere Ehefrau erschossen, bevor er sich mit derselben Waffe selbst tötete. Die gemeinsamen Kinder, ein einjähriges Baby sowie seine sieben und vier Jahre alten Geschwister, mussten die Tat mit ansehen.

Die unerkannte Pandemie

In der kurdischen Provinz Semsûr (tr. Adıyaman) ist eine 26-Jährige durch Pistolenschüsse getötet worden. Als dringend tatverdächtig gilt der 36-jährige Ehemann der Getöteten. Er soll die Frau, deren Name mit Merve Daşcan angegeben wurde, vor den Augen der gemeinsamen drei Kinder im Familienhaus im zentralen Bahçelievler-Viertel erschossen haben, bevor er sich mit derselben Waffe selbst tötete.

Nachbarn hätten am Samstagabend mehrere Schüsse wahrgenommen und die Polizei verständigt. Als diese eintraf und eine Türöffnung veranlasste, stießen die Beamten auf die blutüberströmten Leichen des Paares und die verängstigten Kinder. Die Staatsanwaltschaft Adıyaman hat eine Obduktion veranlasst. Die Kinder der Getöteten – ein einjähriges Baby sowie zwei Kinder im Alter von vier und sieben Jahren – wurden in die Obhut der Provinzvertretung des Ministeriums für Familie und soziale Dienste übergeben.

Kein Tag ohne Femizid

In der Türkei vergeht fast kein Tag ohne Femizid. Allein in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres wurden nach Recherchen der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (KCDP) mindestens 228 Frauen von Männern aus ihrem Umfeld ermordet. Dazu kommt eine Dunkelziffer von 140 getöteten Frauen, bei denen ein Femizid nicht zweifelsfrei nachzuweisen ist, obwohl der Zusammenhang einen patriarchal motivierten Mord nahelegt. Morde an Frauen werden auch als Femizide oder Feminizide bezeichnet. Der Begriff soll ausdrücken, dass hinter diesen Tötungen oft keine individuellen, sondern gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen. Die in Istanbul ansässige Organisation KCDP sieht die Dichte an tödlicher Gewalt gegen Frauen in der Türkei als Ergebnis der Regierungspolitik von Staatspräsident Erdoğan.