Ezidische Frauen: Allein wir selbst können uns schützen!

Der Dachverband des Ezidischen Frauenrats SMJE hat eine Erklärung zum 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, veröffentlicht. Die Frauen fordern zur Selbstorganisierung gegen patriarchale Gewalt auf.

SMJE, Dachverband des ezidischen Frauenrats, hat eine Erklärung zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen veröffentlicht. Der Verband fordert Frauen angesichts des politischen Charakters patriarchaler Gewalt zur Politisierung und Selbstorganisierung sowie die gesamte Gesellschaft zur Mobilisierung gegen das Patriarchat auf:

„Wir wollen ein Leben ohne Gewalt, selbstbestimmt und frei leben. Es ist nicht nur die Aufgabe der Frauen, sich gegen die tägliche häusliche Gewalt, sexualisierte Übergriffe, die Tötungsversuche, gar bis hin gegen Menschenhandel, Zwangsverheiratung und Prostitution, zu erheben.“ SMJE weist auf die Rolle von Gewalt an Frauen als Kriegswaffe hin.

Patriarchale Gewalt in „modernen Gesellschaften“ Alltag

Die Gewalt sei jedoch nicht auf diese Regionen zu reduzieren, der Dachverband stellt fest: „Gerade in unserer ‚modernen‘ Welt gehören das Patriarchat und seine Gewalt an Frauen zum Alltag.“ Die ezidischen Frauen ziehen eine Verbindung vom Befreiungskampf gegen den IS-Genozid in Şengal über den Kampf der Frauen in der Türkei und Nordkurdistan bis hin zum feministischen Protest in Polen und Frankreich. Insbesondere Frauen wie die vom Trujillo-Regime ermordeten Mirabal-Schwestern, die vom MIT ermordete Sakine Cansiz oder die von protürkischen Söldnern ermordete Hevrîn Khalaf werden persönlich benannt: „Für uns sind diese mit Namen benannten Frauen die Widerstandsbotschafterinnen, die freien Frauen, die gewaltvoll von uns gerissen wurden. Ihre Namen haben sie für die Menschlichkeit, für die Gleichberechtigung, für eine wahrhaft gelebte Demokratie im Kampf gegen das faschistische Erdoğan-Regime und die Schergen des Islamischen Staats verewigt.“

Allein wir selbst können uns schützen“

SMJE weist auf die Bedeutung von Selbstorganisierung und Selbstverteidigung hin: „Allein wir können uns beschützen, indem wir uns solidarisieren und zu einer organisierten Kraft werden, und immer wieder gegen die Unterdrückung der Frauen in allen Lebensbereiche kämpfen.“ Patriarchale Gewalt und Femizide werden immer wieder als „Beziehungsdramen“ verharmlost, kritisiert der Verband.

IS hat 7.000 Frauen und Kinder verschleppt

In der Erklärung wird auf den Femizid und Genozid in der Şengal-Region eingegangen. Das Menschheitsverbrechen begann am 3. August 2014, als der IS die Region nach dem fluchtartigen Rückzug der PDK-Peschmerga in die Hände bekam. Nach Angaben des SMJE wurden bis zu 7.000 Frauen und Kinder verschleppt. Frauen und Mädchen wurden systematisch vergewaltigt, auf extra errichteten Sklavenmärkten als Sklavinnen verkauft oder als Kriegsbeute unter den IS-Söldnern und an Sympathisanten verschenkt.

Şengal-Genozid ist gesellschaftliches Trauma

Der SMJE berichtet: „Frauen und junge Mädchen, die später gegen Lösegeld befreit werden konnten oder sich aus eigener Kraft befreit haben, haben von ihren schmerzhaften Erinnerungen an Einzel-, Gruppen- und Massenvergewaltigungen, Folter und psychische Gewalt berichtet. Was in Şengal mit den ezidischen Frauen geschehen ist, hat weltweit eine tiefe Wunde in unserem Bewusstsein als Frauen geschlagen. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist eine bewusst gewählte Kriegswaffe. Damit sollten die Familien und Gemeinschaften gebrochen werden. Mit den Nachwehen der Traumata haben nicht nur unsere Schwestern, sondern unsere gesamte Gemeinschaft zu leben.“

Erdoğan setzt Angriffe des IS fort

Doch auch die Befreiung vom IS hat die Menschen in Şengal nicht in Sicherheit gebracht. Insbesondere das Erdoğan-Regime bedroht die Region. Dazu schreibt der SMJE: „So setzt Erdoğan seine barbarischen Angriffe mit militärischem Gerät, das von westlichen Staaten aufgerüstet wurde, fort. Er greift mit Hilfe von Söldnermilizen und IS-Dschihadisten Rojava und Şengal an und führt einen Drohnenkrieg unter dem Einsatz deutscher Technologie.“

Der SMJE weist auch auf die bis Armenien und Libyen reichenden Aggressionen des Erdoğan-Regimes hin und fordert ein entschlossenes Vorgehen gegen den Diktator.