In Şengal haben ezidische Frauen mit einer Demonstration an den Genozid und Femizid vom 3. August 2014 erinnert und einen Autonomiestatus für die Region eingefordert. Die Demonstration startete im Sûka Kevin, dem alten Marktviertel, in dem vor sieben Jahren Tausende Ezidinnen vom „Islamischen Staat“ (IS) versklavt wurden. Angeführt wurde der Protestzug von Frauen, die in schwarzer Kleidung verhüllt und in Ketten gelegt die damalige Versklavung vor Augen führten. Auf Transparenten und Schildern wurden weitere Bilder des Massakers gezeigt.
Zum Abschluss der Demonstration sagte Fehîme Silêman im Namen der ezidischen Frauenbewegung TAJÊ: „Am 3. August 2014 sind Hunderte, Tausende ezidische Frauen versklavt und über diese Straße geführt worden. Wir wollen den hier begonnenen Marsch des Völkermords in einen Marsch der Freiheit verwandeln.“ Die Aktivistin erklärte, dass die Menschen in Şengal Autonomie und eine Selbstverwaltung wollen: „Wir haben den Schmerz unserer Kinder, unserer Töchter, unserer Partner erlebt. Damit wir kein weiteres Leid erleben müssen, wollen wir uns selbst regieren. Um uns selbst verteidigen zu können, haben wir Sicherheitskräfte und militärische Einheiten gebildet und uns als Frauen organisiert.“ Zuletzt bedankte sich Fehîme Silêman bei denen, die Şengal gegen den IS verteidigt haben.
Nach der Erklärung entledigten sich die Frauen aus der ersten Reihe in einem symbolischen Akt ihrer Ketten und verbrannten unter großem Beifall die schwarze Kleidung, die Ezidinnen von den Islamisten aufgezwungen worden war.
Der Genozid und Femizid in Şengal
Am 3. August 2014 überfiel die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) Şengal mit dem Ziel, eine der ältesten Religionsgemeinschaften auszulöschen: Die Ezidinnen und Eziden. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen sowie der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den von ihr als Ferman bezeichneten 74. Völkermord in ihrer Geschichte. Mindestens 10.000 Menschen fielen Schätzungen nach den Massakern des IS zum Opfer. Mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, Bis heute werden 2800 Frauen und Kinder vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.
Als der IS vor sieben Jahren in Şengal einrückte, zogen sich die rund 12.000 in der Region stationierten Peschmerga der südkurdischen Regierungspartei PDK ohne Vorwarnung zurück und überließen die Bevölkerung schutzlos den Islamisten. Wer fliehen konnte, ging ins Gebirge. Dort schützte zunächst ein Dutzend Guerillakämpfer der HPG den Zugang zum Gebirge und verhinderte das Eindringen der Dschihadisten. Weitere HPG-Einheiten wurden zur Verteidigung der Ezid:innen nach Şengal geschickt. Am 6. August kamen zwei Bataillone der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ aus Rojava den HPG zu Hilfe. Es wurde ein Fluchtkorridor eingerichtet, um die zu Zehntausenden auf den Şengal-Berg geflohenen Menschen zu evakuieren. Über diesen Korridor konnten in den ersten Tagen bereits rund 50.000 Ezid:innen nach Rojava gelangen. So konnte ein noch größeres Massaker verhindert werden.