Leyla Mustafa ist tot. Die frühere Ko-Vorsitzende des Zivilrats von Raqqa starb am Samstag im Alter von 35 Jahren in einem Krankenhaus in Damaskus an den Komplikationen einer Leber-Operation, erklärten Angehörige ihrer Familie. Die Nachricht vom Tod der Politikerin wurde in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien mit Trauer und Bestürzung aufgenommen. „Leyla Mustafa stand symbolisch für die freie und ambitionierte Frau. Sie kämpfte für den Aufbau des Systems der Autonomieverwaltung, leitete den Wiederaufbauprozess nach dem Sieg über die radikale Mentalität des IS und setzte sich für Stabilität und Koexistenz ein”, schrieb Mazlum Abdi, Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), auf X.
Leyla Mustafa (auch Leila Mustapha) wurde am 12. September 1988 in Raqqa als Tochter einer kurdischen Familie geboren. Sie war studierte Bauingenieurin und erlebte die erste Zeit der Besetzung ihrer Geburtsstadt durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), die Raqqa 2014 zur Hauptstadt des IS-Kalifats ernannte, mit eigenen Augen. Sie flüchtete mit ihrer Familie nach Qamişlo und richtete ihr politisches Engagement noch gezielter aus.
Leyla Mustafa im April 2019 bei der Eröffnung des Zentrums für Kunst und Kultur in Raqqa
2017, im Jahr der Befreiung Raqqas von der IS-Herrschaft, wurde Mustafa zur weiblichen Hälfte in der genderparitätisch besetzten Doppelspitze des Zivilrats der Stadt gewählt, der im selben Jahr gebildet wurde. Eine ihrer ersten Amtshandlungen war die Umbenennung des symbolträchtigen Al-Naim-Platzes, der dem IS als öffentliche Hinrichtungsstätte diente, in „Freiheitsplatz“. Sie widmete sich dem Wiederaufbau von Raqqa, das vom IS sowie während der Befreiungsoffensive gegen die Dschihadistenmiliz zu über 80 Prozent zerstört wurde. Zudem wirkte sie maßgeblich an der Etablierung des Gesellschaftsmodells von Rojava mit, das auf Frauenbefreiung, Pluralismus, direkter Demokratie und Selbstverwaltung beruht. Das Amt als Ko-Vorsitzende des Zivilrats, das Pendant der Bürgermeisterin, führte sie bis 2022.
„Wer hätte gewusst, dass diese Stadt, die bei ihrer Befreiung vollständig zerstört war, die unter der Barbarei von bösartigen Männern gelitten hatte, von einer jungen Frau regiert werden würde?” - Der Dokumentarfilm „9 Days in Raqqa“ von Xavier de Lauzanne zeigt einen Ausschnitt vom Leben Leyla Mustafas
2021 erhielt Leyla Mustafa den Jurypreis der City Mayors Foundation. Mit der Auszeichnung der internationalen Denkfabrik wurden ihre Bemühungen um den Wiederaufbau Raqqas nach der Besetzung durch den IS gewürdigt. 2020 porträtierte der französische Filmemacher Xavier de Lauzanne in seinem Dokumentarfilm „9 Days in Raqqa“ einen Ausschnitt vom Leben Leyla Mustafas. Für das Werk begleitete der Regisseur eine Reise von Marine de Tilly, die zwischen 2019 und 2020 als Reporterin mehrmals nach Raqqa ging. Auf einem Treffen mit Leyla Mustafa entstand die Idee eines Buches über ihr Leben: „La femme, la vie, la liberté” – die zentrale Losung der kurdischen Frauenbewegung „Jin, Jiyan, Azadî” (Frau, Leben, Freiheit).