Corona trifft Frauen und Kinder am härtesten

Das Coronavirus trifft Frauen und Kinder am härtesten, weil sie in der häuslichen Isolation der Gewalt von Männern ausgesetzt sind. Die TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan erklärt, dass Gewalt gegen Frauen politisch ist und vom Staat unterstützt wird.

Durch die Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Pandemie sind Frauen zunehmend von häuslicher Gewalt betroffen. In den letzten drei Wochen sind in der Türkei 18 Frauen von Männern ermordet worden, in zwölf Fällen in der eigenen Wohnung. Der türkische Staat trifft keine Maßnahmen gegen Feminizide und ruft seit Tagen dazu auf, die Wohnung nicht zu verlassen. Ayşe Gökkan ist Sprecherin der Bewegung Freier Frauen (TJA) und hat sich gegenüber ANF zu dem Thema geäußert.

Für die Frauenbewegung sei der Anstieg von Gewalt gegen Frauen keine Überraschung, erklärt Ayşe Gökkan: „Wir hatten eine Reihe von Maßnahmen dagegen getroffen, aber der Staat hat alle unsere Einrichtungen geschlossen und damit können diese Maßnahmen nicht mehr greifen. Der Staat schützt Frauen in keiner Weise und vergreift sich an den Errungenschaften, die von Frauen erkämpft worden sind. Die Mörder von Frauen werden vom Staat ermutigt. Die Regierung schützt Frauenmörder. Mit den unter der AKP-Regierung verabschiedeten Gesetzen sollen Frauen von Männern und vom Staat abhängig gemacht werden. Männer sehen sich selbst in der Familie in der Rolle des Staates. Wenn die Frauen nicht stärker werden, bleiben sie angesichts der aktuellen Entwicklungen mit ständigen Angriffen konfrontiert. Der Staat verfolgt dabei eine bewusste Strategie. Die Frauen sind jedoch nicht hilflos und allein, sie haben sich ihre eigenen Institutionen erkämpft.“

Gewalt gegen Frauen ist politisch und wird vom Staat gefördert, betont die TJA-Sprecherin: „Feminizid findet mit staatlicher Unterstützung statt. Alleine können Männer diese Massaker nicht begehen, sie lernen die Methoden vom Staat. Das Coronavirus trifft Frauen und Kinder am härtesten, weil sie in der häuslichen Isolation der Gewalt von Männern ausgesetzt sind. Die Behörden rufen jeden Tag dazu auf, die Wohnung nicht zu verlassen, aber sie unternehmen nichts gegen Gewalt und Morde an Frauen.

Der Staat ermöglicht Feminizide seit jeher. Zum Beispiel werden Frauen mit ihrem Vergewaltiger verheiratet oder es werden Kinder verheiratet. Frauen haben eigene Einrichtungen gegen Männergewalt gegründet. In allen Städten Kurdistans gab es Frauenbüros, allein in Amed [Diyarbakir] gab es 16 Fraueneinrichtungen. Sie sind alle vom Staat beschlagnahmt worden. Deshalb betrachten wir Femizide als staatliche Morde.“

Während die ganze Welt gegen das Coronavirus kämpft, hat die türkische Regierungskoalition aus AKP und MHP weitere Kommunalverwaltungen in Kurdistan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt, stellt Ayşe Gökkan fest: „Selbstverwaltungen spielen weltweit eine wichtige Rolle. Viele Staaten haben angesichts des Widerstands der Völker eingelenkt. Weil Zentralregierungen keine Lösung für die Probleme der Gesellschaft finden, haben lokale Strukturen mehr Befugnisse bekommen. In vielen Ländern gibt es autonome oder föderative Verwaltungssysteme. In der Türkei jedoch greift die Regierung die lokalen Errungenschaften an. Die kurdischen Kommunalverwaltungen, die den Kampf gegen die Corona-Pandemie organisiert haben, sind ausgeschaltet worden. Denn sie haben Maßnahmen gegen die Probleme der Bevölkerung getroffen.

Auch in Coronazeiten geht es der AKP nur darum, Kurdistan abzuriegeln und die Errungenschaften des Volkes zunichte zu machen. Die Zwangsverwalter sind wie das Virus. Sie agieren kurdenfeindlich und rassistisch. Der Staat setzt auf eine frauenfeindliche Strategie. Alle kurdischen Kommunalverwaltungen haben Politik für die Rechte von Frauen gemacht. Aus diesem Grund sind sie zum Angriffsziel der Regierung geworden.“