Celle: Kritik an Kriminalisierung von Kreide-Aktion gegen §218

Zum Jahrestag des Inkrafttretens von §218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, gab es am 15. Mai in Celle eine feministische Kreide-Aktion. Die Polizei ermittelt nun wegen Sachbeschädigung gegen die Beteiligten, die Empörung ist groß.

Seit 150 Jahren sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nach §218 StGB eine Straftat. Dagegen gab es am 15. Mai, dem Jahrestag des Inkrafttretens des Paragrafen, einen bundesweiten Aktionstag. In Celle hatten Aktivistinnen einer feministischen Aktionsgruppe deshalb Kreide-Botschaften auf Straßen in der Innenstadt geschrieben, um sich auf diese Weise für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und auf sichere Abtreibung auszusprechen. Die Polizei entdeckte die drei jungen Cellerinnen und nahm Ermittlungen wegen Sachbeschädigung gegen sie auf. Verschiedene Organisationen und Einzelpersonen sind empört über das Vorgehen der Polizei und bringen ihre Entrüstung in einer gemeinsamen Erklärung zur Sprache.

Mit Sprühkreide für Selbstbestimmung

„Dieses Gesetz spricht Frauen und allen gebärfähigen Personen ab, selbst zu entscheiden, wann und ob sie Kinder gebären möchten. Paragraf 218 stellt Abtreibungen, trotz Straffreiheit in den ersten zwölf Wochen, als Totschlag dar. Viele stehen unter enormem Druck, da ein Abbruch in weiten Teilen der Gesellschaft weiterhin als ‚Mord’ gilt und eine Abtreibung legal nur nach einer verpflichtenden Beratung nach Paragraf 219 und am Anfang der Schwangerschaft möglich ist. Frauen und Gebärfähige, die nach diesem Zeitraum abtreiben möchten, können dies nur unter dem Risiko, zu Totschlag verurteilt zu werden und haben keinen Anspruch mehr auf einen medizinisch sicheren Abbruch. Dass Föten, die potenziell ‚Fehlbildungen’ entwickeln könnten, auch nach der 12. Woche noch abgetrieben werden dürfen, zeigt, dass es nicht wirklich um den Schutz allen Lebens geht”, heißt es in der Stellungnahme, die unter anderem von der „Feministischen Organisierung: Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie” unterzeichnet wurde.

Unverhältnismäßige Kriminalisierung einer Kreide-Aktion

Die Kritik der unterzeichnenden Gruppen der Erklärung richtet sich allerdings auch gegen die mediale Berichterstattung. „Ein Celler Online-Medienportal titelt ‚Drei Frauen nach Graffiti-Taten gestellt’ und erwähnt an keiner Stelle, dass es sich um Kreide handelte. Ob der Artikel oder die Polizei diesen relevanten Fakt verschweigt, ist unklar.” Diese polizeiliche und mediale Reaktion darauf, dass junge Frauen in der Celler Innenstadt mit Kreide-Parolen gegen den Paragrafen 218 protestieren, zeige, dass Selbstbestimmung über den eigenen Körper von Frauen und Gebärfähigen „nach wie vor keine Selbstverständlichkeit” sei. Die Unverhältnismäßigkeit der „enormen Kriminalisierung” einer Kreide-Aktion zeige, dass der Inhalt des Protests selbst, statt seiner Form, das eigentliche Problem sei.

„Als Frauen, Mütter und gewollt kinderfrei lebende Celler:innen halten wir kreative Formen, welche die Debatte um den Paragrafen 218 in die Öffentlichkeit bringen, für angebracht und willkommen.” Die Unterzeichnenden der Erklärung sind folgende:

*Organisationen*
Antifaschistische Initiative zum Gedenken an Rukeli Trollmann
attac Regionalgruppe Celle
Buntes Haus e. V.
Catcalls Celle
Feministische Organisierung: Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und
Demokratische Autonomie
Fridays for Future Celle
LiST – Land in Sicht Transition Celle
VSE- Team Mädchen und Frauen
*Einzelpersonen*
C. Kappelhoff
E. Mahler
H. Schleiner
J. Kryschak
L. Mulone
M. C. Klein
M. Hoffmann
M. Löchelt
N. Grossmann
R. Bartsch
S. Frankenstein
T. Bartsch