Der türkische Staat hat im Frühjahr 2018 den selbstverwalteten Kanton Efrîn in Nordsyrien besetzt. Die Region galt als Musterbeispiel des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Kulturen und war ein Zufluchtsort für Bürgerkriegsflüchtlinge aus anderen syrischen Gebiete. Die Invasion startete am 20. Januar 2018 mit flächendeckenden Bombardierungen durch 72 eingesetzte Kampfjets. Tausende Menschen wurden bei den Angriffen getötet. Die Bevölkerung leistete bis zum 18. März Widerstand, mit der Einnahme der Stadt Efrîn durch die türkische Armee und dschihadistische Söldnerverbände mussten 300.000 Menschen fliehen.
Avesta Xabûr gilt als Symbolfigur des Widerstands von Efrîn. Die YPJ-Kämpferin sprengte sich selbst mit einem Panzerfahrzeug der Invasionstruppen in die Luft, um ein Massaker an der Zivilbevölkerung im Dorf Hemam abzuwenden. Mit ihrer Selbstaufopferung am 27. Januar 2018 in der Nähe von Cindirês folgte Avesta dem Beispiel kurdischer Kämpferinnen wie Zîlan in Dersim und Arîn in Kobanê. Canda Inat hat Avesta Xabûr in einem YPJ-Bataillon kennengelernt, beide Kämpferinnen wurden Teil einer Antiterroreinheit. Bis 2017 waren sie zusammen in Efrîn, berichtete Canda gegenüber ANF. Von ihrer gefallenen Weggefährtin erzählt sie:
„Heval Avesta wollte nie ein normales Leben führen. Sie sprach häufig von Opferbereitschaft und sagte, sie wolle Heval Zîlans Genossin sein. Fehler und mangelnde Disziplin akzeptierte sie nicht. Sie war Kritik gegenüber aufgeschlossen und ließ nicht zu, dass sich Fehler wiederholten. Dabei kommunizierte sie mit allen und zeigte Verständnis. Mit Kindern war sie wie ein Kind, mit Erwachsenen wie eine Erwachsene. Wir haben bei vielen Offensiven zusammen gekämpft.“
Avesta habe auch oft betont, dass Abdullah Öcalan die Frauenbefreiung gefördert habe und dass sie dem gerecht werden wolle, berichtete Canda weiter: „Aus dieser Haltung heraus hat sie ihre Fedai-Aktion gemacht. Heval Avesta kümmerte sich sehr um ihre Mitkämpferinnen. Sie sagte: Wenn eine von uns schwach ist, sind wir alle schwach. Deshalb ließ sie nicht locker und setzte sich dafür ein, dass alle ein bestimmtes Niveau einhielten und gewisse Sachen verstanden. Diese Einstellung hatte sie aus der Philosophie von Rêber Apo übernommen. Mit ihrer Aktion am 27. Januar gab sie dem Feind die Antwort, die sie als notwendig empfand. Die Invasion richtete sich gegen alle Menschen, die in Efrîn friedlich zusammenlebten. Es fand ein kultureller Vernichtungsfeldzug statt. Das Ziel war nicht nur die Besatzung der Region, unser Lebensmodell sollte zerschlagen werden. Diese Politik, die Menschen nach ihren Identitäten zu trennen und gegeneinander aufzuhetzen, dauert bis heute an. Dagegen hat Heval Avesta sich gewehrt, und sie hat den Feind mitten ins Herz getroffen. Wir werden niemals aufgeben. Heute gibt es Hunderte Frauen wie Avesta. Ihre Aktion hatte eine sehr starke Wirkung auf uns. Wir waren sehr traurig, aber gleichzeitig auch sehr stolz auf sie. Sie hat uns dazu gebracht, noch mehr zu kämpfen. Ihr Tod war schmerzhaft und hat unsere Wut auf den Feind vergrößert. Wir kämpfen weiter, um Heval Avestas Träume wahrzumachen und alle Frauen aus der Versklavung zu befreien. Und wir halten uns an unser Versprechen, Avesta und alle Gefallenen zu rächen.“