Nachdem das oberste Gericht Zyperns vergangene Woche der Auslieferung des kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz nach Deutschland zugestimmt hat, hätte er am gestrigen Donnerstag auf dem Frankfurter Flughafen landen sollen. Doch es kam anders: Die geplante Überstellung musste wegen schlechter körperlicher Verfassung des 49-Jährigen storniert werden. „Der Gesundheitszustand von Ayaz war derart schlecht, dass ein Transport unverantwortlich gewesen wäre“, bestätigte Monika Morres vom Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ.
Kenan Ayaz ist langjähriger Aktivist der kurdischen Bewegung und war in der Türkei aufgrund seiner politischen Identität insgesamt für zwölf Jahre im Gefängnis – zuletzt im Zusammenhang mit einem der sogenannten KCK-Verfahren. Seit 2013 lebt er im griechischen Teil von Zypern und ist anerkannter Flüchtling. Am 15. März wurde er am Flughafen von Larnaka festgenommen, als er zu einem Familienbesuch nach Schweden reisen wollte. Seitdem befindet er sich auf Grundlage eines deutschen Auslieferungsersuchens in zypriotischer Haft.
Die bundesdeutsche Justiz will Ayaz wegen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – gemäß Gesinnungsparagrafen §§129a/b StGB vor Gericht stellen. Er soll angeblich zwischen 2018 und 2020 verschiedene „PKK-Gebiete“ in Deutschland verantwortlich geleitet haben, unter anderem in Köln. Gegen seine Auslieferung aus Zypern hatte Ayaz‘ griechischer Rechtsanwalt Efstathios K. Efstathiou umgehend Widerspruch eingelegt – auch weil eine Weiterschiebung in die Türkei in Frage kommt. Auf zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen auch außerhalb Zyperns war in den letzten Wochen und Monaten immer wieder für die Freilassung des Kurden protestiert worden; in der Schweiz wurde eine Online-Petition initiiert.
Anfang Mai begann Kenan Ayaz einen Hungerstreik, um sich auf diese Weise gegen die drohende Auslieferung zur Wehr zu setzen. Er bezeichnete diese Maßnahme als Dienstleistung des deutschen Staates für das Erdoğan-Regime und erklärte darüber hinaus: „Ich kämpfe für die Freiheit des kurdischen Volkes und der Völker auf Zypern und im Nahen Osten. Alle meine Tätigkeiten sind legal und finden öffentlich statt. Ich nehme an Konferenzen, Seminaren, Veranstaltungen und TV-Programmen teil und betätige mich nicht konspirativ. Es gibt keine Gewalttat, die als terroristische Aktion ausgelegt werden könnte. Meine gesamte Arbeit erfolgt im Rahmen der europäischen Gesetzgebung.“
Noch kein neuer Überstellungstermin
Ein möglicher neuer Termin für die Überstellung des kurdischen Aktivisten an die deutschen Behörden ist laut AZADÎ derzeit nicht bekannt.
Bild: Kenan Ayaz im April 2017 bei einem Hungerstreik vor dem Europarat in Straßburg. Die Aktion fand in Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei statt, die damals in knapp 30 Haftanstalten mit einem Hungerstreik gegen ihre Entrechtung protestierten.