YPS: Den Zap-Widerstand in die Metropolen tragen
Die Zivilen Verteidigungseinheiten (YPS) rufen zur Ausweitung des Widerstands in den Städten der Türkei und Nordkurdistans auf. Ihre seit einem Monat andauernde Offensive verlaufe erfolgreich.
Die Zivilen Verteidigungseinheiten (YPS) rufen zur Ausweitung des Widerstands in den Städten der Türkei und Nordkurdistans auf. Ihre seit einem Monat andauernde Offensive verlaufe erfolgreich.
Die Koordination der Zivilen Verteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Sivîl, YPS) hat anlässlich der Vollendung des ersten Monats ihrer Offensive in den türkischen Metropolen einen Aufruf an die Jugend gestartet. Die YPS haben ihre „antifaschistische Siegesoffensive“ am 10. August gestartet und eine Vielzahl von militanten Aktionen und Stadtguerillaaktionen durchgeführt. Den Verlauf der Offensive bewertet die Koordination als erfolgreich: „Die Zahl der wirksamen Aktionen gegen den faschistischen Feind in den Metropolen in Nordkurdistan und der Türkei wächst wie eine Lawine. Tag für Tag finden Aktionen statt. Bereits im ersten Monat unserer Offensive sind die Aktionen zum Albtraum des faschistischen AKP/MHP-Regimes geworden. Die von den YPS initiierte Offensive ist der Ausdruck des Freiheitskampfes unseres revolutionären Volkes gegen den faschistischen Feind. Das bedeutet, dass die revolutionären Völker in der Türkei und Kurdistan, genauer gesagt jede und jeder, ob alt oder jung, dafür verantwortlich sind, diese Offensive voranzubringen.“
„Beteiligung am revolutionären Volkskrieg ist Frage von Sein oder Nichtsein“
Die YPS sprechen von einer massiven Niederlage der türkischen Armee angesichts des Guerillawiderstands in den südkurdischen Medya-Verteidigungsgebieten, daher stehe das AKP/MHP-Regime am Rande des Zusammenbruchs. Die Äußerung Erdoğans „Wenn das Schiff untergeht, werden wir alle ertrinken“ interpretieren die YPS als ein Eingeständnis der Niederlage. In diesem Rahmen seien auch Äußerungen des Innenministers Süleyman Soylu zu sehen, der in Amed erklärte, das kurdische Volk sei ein Brudervolk. Die YPS kommentieren: „Aus irgendeinem Grund denken die faschistischen türkischen Regierungen, sobald sie in Schwierigkeiten geraten, an eine Verbrüderung mit dem kurdischen Volk. Es gibt ein Sprichwort, das besagt: ‚Von einem Schwein kann man nichts erwarten.‘ Was kann man von einem Verbrecher wie Süleyman Soylu erwarten?“ Das kurdische Volk durchschaue diese Äußerungen und wisse genau, „dass die Beteiligung an einem wirksamen antifaschistischen revolutionären Volkskrieg heute eine Frage um Sein oder Nichtsein ist.“
„Die Metropolen zum Zap-Gebiet machen“
Die YPS rufen insbesondere die Jugend auf, sich an der Offensive zu beteiligen: „Vor allem die revolutionäre Jugend in der Türkei und in Kurdistan muss diese historische Offensive anführen. Die Aktionen, die nach der Ankündigung der Offensive begonnen haben, haben gezeigt, dass unser Volk, die Frauen und die Jugend bereit sind, Initiative zu ergreifen. Dies hat einmal mehr bestätigt, dass dieser Krieg im Wesentlichen ein Krieg ist, den das Volk selbst gegen den Faschismus führt und führen muss, und dass dies der wirksamste Weg ist, den Kolonialismus zu brechen. In diesem Sinne muss die Jugend ihre historische Führungsrolle stärker wahrnehmen.“
Zur Form der Beteiligung schreiben die YPS, dass man keine hochtechnisierten Waffen brauche, um Widerstand zu leisten. Das zeige auch der Kampf der Guerilla in den Medya-Verteidigungsgebieten. Die YPS weisen daraufhin, dass sich viele junge Menschen an sie gewandt hätten, um im Zap gegen die türkische Armee zu kämpfen, sie aber keinen Weg dorthin finden würden. Sie sagen dazu: „Menschen, die entschlossen sind, im Zap zu kämpfen, sollten auch in der Lage sein, den antifaschistischen Kampf in den Großstädten zu führen. Wir rufen die Jugend, die im Zap kämpfen will auf, für die AKP/MHP-Banden jeden Ort in den Metropolen zum Ort des Zap-Krieges zu machen. Alle revolutionären, patriotischen Jugendlichen, die im Zap kämpfen wollen, sollten nie vergessen, dass sie auch in den Metropolen der Türkei – oder wo auch immer – Kämpferinnen und Kämpfer des Zap sind. Auf der Grundlage der revolutionären Volkskriegsstrategie sollten alle Angehörigen unseres revolutionären patriotischen Volkes wissen, dass er oder sie eine Kämpfer:in der YPS oder YPS-JIN sein kann.“
„Lasst die revolutionäre Jugend nicht allein“
Die Koordination kritisiert den Teil der Jugend, welcher bei den Kämpfen eine Zuschauerrolle einnimmt. Dies sei für einen Menschen, der sich selbst als revolutionär bezeichnet, nicht hinnehmbar: „Die revolutionäre Jugend, die heute in den Metropolen der Türkei mit ganzem Herzen gegen den faschistischen Feind kämpft, darf dabei nicht allein gelassen werden. Alle, die sich als revolutionär bezeichnen, müssen sich an diesem Krieg beteiligen.“
„Unsere Waffen sind Feuerzeuge und Streichhölzer“
Die YPS-Koordination definiert die Ziele möglicher Aktionen: „In der Türkei ist alles, was dem faschistischen Feind gehört, ein Ziel. Es ist notwendig, alles Politische und Militärische ins Visier zu nehmen, insbesondere die Wirtschaft.“ Die YPS-Koordination ruft zu zeitgleichen und koordinierten Aktionen auf und erklärt: „Die wirksamste Waffentechnologie der revolutionären Jugend sollte das Feuerzeug und das Zündholz sein. Alles, was dem faschistischen Feind in den Metropolen der Türkei gehört, muss zerstört werden. Wenn an einem Ort Aktionen beginnen, sollten alle revolutionären Jugendlichen in anderen Städten sofort mobilisiert werden. Die Aktionen sollten dann überall hin ausgeweitet werden. Es gibt einige konkrete Ziele für Brandanschläge. Alle Fabriken sind Ziele. Alle Einrichtungen, die dem faschistischen Feind gehören, sind Zielscheiben. Das gilt auch für alle Fahrzeuge und Unternehmen, die den Faschisten gehören. Gegen den faschistischen Feind, der versucht, die Kurd:innen und Kurdistan zu zerstören, sollte die revolutionäre Jugend Kurdistans überall ein Feuer entfachen. Wir müssen die Metropolen der Türkei in eine Hölle für den faschistischen Feind verwandeln.“
Grüße an militante und bewaffnete Initiativen
Die YPS-Koordination grüßt alle „im revolutionären Geiste kämpfenden Geschwisterorganisationen“, insbesondere die Milizen des linken Guerillabündnisses HBDH und die Jinên Tîrêjên Rojê, eine militante Fraueninitiative, die für Dutzende Aktionen verantwortlich zeichnet.
Die Koordination schließt mit den Worten: „Lasst uns in diesem historischen, umfassenden Kampfprozess den antifaschistischen Widerstand auf der Grundlage der Perspektive von revolutionären Vorreitern wie Deniz Gezmiş, Haki Karer, Kemal Pir und Mazlum Doğan führen. Auf der Grundlage dieses Verständnisses und auf der Basis der am 10. August gestarteten Offensive der YPS und YPS-JIN rufen wir alle revolutionären Jugendlichen der Türkei und Kurdistans, insbesondere die befreundeten revolutionären Organisationen auf, sich an unserer Offensive zu beteiligen und sie auszuweiten.“
Wer sind die YPS?
Am 27. August hatten die YPS mit der Hinrichtung eine türkischen Unteroffiziers in der nordkurdischen Stadt Dîlok von sich reden gemacht. Die Aktion wurde von den YPS als Vergeltung für den Umgang des türkischen Staates mit Gefallenen durchgeführt.
Die YPS und YPS-JIN sind im Zusammenhang mit dem Widerstand für Selbstbestimmung in den Jahren 2015 und 2016 als ein Bindeglied zwischen der Guerilla und dem Volksaufstand geschaffen worden. Sie waren ein wichtiger Schritt in der Entwicklung gesellschaftlicher Selbstverteidigungskräfte. Mit der brutalen Verwüstung der kurdischen Städte durch die türkische Armee und blutigen Zerschlagung des Widerstands mit Massakern an der Zivilbevölkerung und Militanten gingen die YPS in einen Reorganisierungsprozess und stellten sich nach ihrer Konferenz 2017 neu auf. Nun haben sich die YPS zum Ziel gesetzt, die Selbstverteidigung in alle Lebensbereiche des kurdischen Volkes zu tragen. Es geht nicht mehr um die Verteidigung fester Gebiete, die angesichts der militärischen Überlegenheit des türkischen Staates nicht realistisch erschien, sondern darum, staatliche und faschistische Strukturen aus einem System klandestiner Zellen heraus anzugreifen. Zudem wurden „die Gesellschaft gefährdende Strukturen von Agenten und Kollaborateuren, Prostitutions- und Drogenbanden und die Kriegswirtschaft des türkischen Staates“ zum Angriffsziel erklärt. Gleichzeitig wurde die Bedeutung antirassistischer Selbstverteidigung insbesondere angesichts rassistischer Angriffe auf Wanderarbeiter:innen ins Zentrum gestellt.