Wütende Proteste in Kurdistan und der Türkei

Nach der erneuten Aberkennung des Wählerwillens in der kurdischen Provinzhauptstadt Wan kommt es in Dutzenden Städten in der Türkei zu wütenden Protesten. Die Polizei setzt Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein.

AKP-Kandidat zum Oberbürgermeister von Wan ernannt

In vielen Städten in der Türkei wird weiterhin gegen die Ernennung des AKP-Politikers Abdulahat Arvas zum Oberbürgermeister von Wan (tr. Van) protestiert. Es kam zu Straßenschlachten, Verletzten und Festnahmen, die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein.

Bei der Kommunalwahl am Sonntag hatte der AKP-Kandidat 27,1 Prozent der Stimmen in der Provinzhauptstadt erzielt und unterlag damit eindeutig den Ko-Kandidat:innen der DEM-Partei. Das aus Abdullah Zeydan und Neslihan Şedal bestehende genderparitätische Duo erhielt 55,5 Prozent der Stimmen, trotz Tausender ortsfremder Wähler, die von der Regierung nach Wan eskortiert worden waren, um die Ergebnisse der Wahl zugunsten der AKP zu beeinflussen. Dem kurdischen Politiker Abdullah Zeydan wurden kurzerhand auf Anordnung des Justizministeriums die Bürgerrechte aberkannt, an seiner Stelle wurde das Bürgermeisteramt dem AKP-Kandidaten zugesprochen.

Ausnahmezustand in Wan

Die DEM-Partei bewertete den Vorgang als politischen Putsch und rief zu Protesten auf. In einer Erklärung des Parteivorstands wurde Respekt vor dem Wählerwillen eingefordert. Bereits nach den letzten beiden Kommunalwahlen hatte die Erdoğan-Regierung die demokratisch gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in kurdischen Städten und Gemeinden mittels erfundener Terrorvorwürfe suspendiert und durch Zwangsverwalter ersetzt, viele der Gewählten landeten im Gefängnis.


In Wan protestierten bereits tagsüber Tausende Menschen gegen die Entscheidung, es wurden Straßenbarrikaden errichtet. Die Polizei ging mit einem Großaufgebot gegen die Proteste vor, nach Angaben des Provinzverbands der DEM wurde das Parteigebäude gestürmt und mit Tränengasgranaten beschossen. Nach dem Fastenbrechen am Abend flammten die Proteste erneut auf, Jugendliche zündeten Feuer auf Straßen an und riefen Parolen.


In Colemêrg (tr. Hakkari) demonstrierten überwiegend junge Menschen im Stadtzentrum, die Polizei setzte Aufstandsbekämpfungseinheiten ein. AKP-Anhänger schossen in die Luft, die Demonstrant:innen reagierten mit Steinwürfen und Feuerwerkskörpern.


Auch in Gever (Yüksekova), dem Geburtsort von Abdullah Zeydan, errichteten Jugendliche brennende Straßensperren und wurden von der Polizei mit Gaskartuschen, Plastikmunition und Wasserwerfern angegriffen.


Bei einer Protestaktion der DEM-Partei vor dem Wahlausschussbüro in Amed wurde zum Widerstand aufgerufen. Die gewählte Ko-Oberbürgermeisterin Serra Bucak erklärte, dass das kurdische Volk am Sonntag seinen Willen gezeigt und ihre Partei die Wahl in 78 Städten und Gemeinden gewonnen habe: „Damit wurden alle Wahlintrigen zunichte gemacht.Aus diesem Grund hat die Regierung keine 48 Stunden später gegen den Willen der Bevölkerung in Wan geputscht. Der Vorgang ist illegitim und antidemokratisch. Wir wehren uns seit acht Jahren gegen das Regime der Zwangsverwaltung, mit dem unsere Städte und Dörfer ausgebeutet und der Willen des kurdischen Volkes übergangen wird. Wir stehen auf der Seite der Bevölkerung von Wan, ganz Kurdistan lässt Wan in dieser Situation nicht allein.“

Wütende Proteste in Êlih

Protestaktion in Istanbul