Tränengas und Wasserwerfer gegen Proteste in Wan

Mit Wasserwerfern und Tränengas reagiert die türkische Polizei in Wan auf Proteste gegen die Ernennung eines AKP-Politikers zum Oberbürgermeister statt des gewählten Abdullah Zeydan (DEM). Tausende Menschen fordern Respekt vor dem Willen der Bevölkerung.

Wahl von Abdullah Zeydan aberkannt

Mit Wasserwerfern, Tränengas und teils auch Schlagstöcken reagiert die türkische Polizei in der kurdischen Großstadt Wan (tr. Van) auf Proteste gegen die unrechtmäßige Ernennung eines AKP-Politikers zum Oberbürgermeister. Tausende Menschen sind auf der Straße, um „Respekt vor dem Willen der Bevölkerung“ einzufordern, viele Gewerbetreibende haben ihre Geschäfte geschlossen. Auf der Hauptstraße im Zentrum Wans sowie in mehreren Seitenstraßen wurden Mülltonnen und Pflanzkübel umgeworfen und Barrikaden errichtet, Protestierende reagieren mit Steinwürfen auf den Tränengasbeschuss. Nach Angaben des Provinzverbands der DEM-Partei warf die Polizei auch Tränengasgranaten in das Parteigebäude und stürmte es. Mehrere Personen erlitten den Angaben zufolge Verletzungen, die genaue Zahl ist noch unklar. Derweil versuchen Polizeikräfte zu verhindern, dass die Demonstrierenden nahe der Stadtverwaltung zusammenkommen.


Der Wahlausschuss in Wan hat am Dienstag den AKP-Kandidaten Abdulahat Arvas zum Oberbürgermeister ernannt. Das Amt gewonnen hatte bei der Kommunalwahl am Sonntag der DEM-Politiker Abdullah Zeydan – und zwar haushoch. Der 52-jährige Kurde erhielt 55,5 Prozent der Stimmen, der unterlegene Kandidat von der AKP kam auf rund 27 Prozent. Dennoch erhielt nicht Zeydan, sondern Arvas die Ernennungsurkunde. Möglich machte das ein Coup des türkischen Justizministeriums. Dieses hat am Freitag nur wenige Minuten vor Geschäftsschluss und keine 48 Stunden vor der Abstimmung bei Gericht die Rücknahme der Wiederherstellung der politischen Rechte Zeydans erwirkt – einschließlich seines Rechts, gewählt zu werden. Der Politiker saß jahrelang unter Terrorvorwürfen im Gefängnis und wurde rechtskräftig verurteilt. Per Gerichtsbeschluss erlangte Zeydan im April vergangenen Jahres seine politischen Rechte wieder. Damit gab es auch keinerlei Einwände gegen seine Bürgermeisterkandidatur.

Protestierende durchbrechen eine Polizeiabsperrung, auch Abdullah Zeydan ist unter ihnen

Die DEM spricht daher von einem „Putsch-Mechanismus“, der in Kraft ist – und von Ankara gesteuert wird. Die Entscheidung im Fall Zeydan habe keine juristische Grundlage und sei vielmehr eine „Anordnung der Herrschenden“, mit der sichergestellt werden solle, dass die AKP trotz eindeutigem Wahlergebnis ein weiteres Mal den „Willen der Bevölkerung“ usurpieren kann. Nach den vorherigen Kommunalwahlen hatte die Erdoğan-Regierung die demokratisch gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den kurdischen Städten und Provinzen mittels erfundener Terrorvorwürfe abgesetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt, viele der Gewählten landeten im Gefängnis. Jetzt, so scheint es, hat Ankara eine Alternative zur Terrorkarte gefunden – obschon Erdoğan unmittelbar nach der Kommunalwahl am Sonntag angekündigt hatte, er werde „weiterhin gegen Terroristen“ vorgehen.