Wien: Rojava-Seminar im Volkskundemuseum

Im Rahmen der diesjährigen Wiener Festwochen hat im Volkskundemuseum ein Seminar über den Gesellschaftsvertrag der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien stattgefunden.

Gesellschaftsvertrag von Nord- und Ostsyrien

Das Wiener Volkskundemuseum lud am Donnerstagabend zu einem Seminar über den Gesellschaftsvertrag der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien ein. Vortragende waren Necibe Qeredaxi und Sara Marcha vom Brüsseler Institut für Jineolojî, die im Rahmen der diesjährigen Wiener Festwochen in Österreich gastieren.


Einführung in die Thematik

Necîbe Qeredaxî begann ihren Teil mit einer erklärenden Einleitung von der Etymologie Rojavas bis hin zum multinationalen/-religiösen Charakter der gesamten Region. Der 2011 ausgebrochene „Arabische Frühling“ habe hier früh Denkmodelle zu einem alternativen System gegeben, das den Menschen vor allem die Möglichkeit eröffnen sollte, stärker und in Kontrast zu staatlicher Bevormundung am politischen Leben teilzunehmen. „Hope and Revolution“ nannte sie mehrfach als Antriebsfaktoren für einen Paradigmenwechsel in Politik, Ökologie und Gesellschaft, die ihre Verwirklichung letztlich in der Verfassung von Rojava fanden, aus der Passagen vorgelesen wurden.

Die ideologischen Grundzüge der zitierten Stellen hoben Radikaldemokratie, Ökologie und Frauenrechte als essentiellen Teil des Leitbildes hervor. Der Gesellschaftsvertrag sei eine Antwort auf die gegenwärtigen multiplen Krisen, die neue Lösungen bräuchten. Diese könnten nur als antisystemisch gedachte Antwort „von unten“ kommen, so Sarah Marcha. Enorme Vorarbeit habe Abdullah Öcalan über Jahrzehnte geleistet.

Internationale Anerkennung notwendig

Wie wichtig diplomatische Augenhöhe sei, illustrierte Marcha am Beispiel zweier Aktivistinnen aus Rojava, die wegen österreichischer Verweigerung von Einreisevisa nicht nach Wien hatten kommen können. Zumindest der Gesellschaftsvertrag könne aber jederzeit online zur Lektüre abgerufen werden und so Wirkung entfalten. Bildung als Fundament jeglicher Veränderung helfe, Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu nutzen. Analyse und Überwindung restriktiver Kulturelemente dürften dabei nicht mit einem „Kulturbruch“ verwechselt werden.

Qeredaxi erwähnte darüber hinaus die wichtige Rolle autonomer Frauenorganisationen, die in der Region konservative Strukturen aufgebrochen und Perspektivenwechsel gefördert hätten („Revolution inside a revolution“). Kollektives Handeln und grenzübergreifende Solidarität mit anderen unterdrückten Gruppen seien gefragt – auch, um Angriffe von außen, wie in Form gezielter Morde durch türkische Drohnen, mittels breiterer internationaler Thematisierung und diplomatischen Drucks zu beenden.

In der abschließenden Fragerunde, die vom Publikum mit großem Interesse genutzt wurde, erklärten die Referentinnen ideologische und praktische Aspekte des Gesellschaftsvertrags detaillierter.