Neuer Gesellschaftsvertrag in Rojava

Am Dienstag wurde in Nord- und Ostsyrien ein neuer Gesellschaftsvertrag ratifiziert. Dieser Gesellschaftsvertrag soll den Entwicklungen der vergangenen elf Jahre gerecht werden und beinhaltet unter anderem die Institution der Frauenräte.

Die Generalversammlung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat am Dienstag, 12. Dezember, den Entwurf eines neuen Gesellschaftsvertrags der Großen Versammlung der Verfassungskommission ratifiziert, nachdem alle 134 Artikel von den Vertreter:innen der Legislativräte und dem Präsidium der Generalversammlung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien einzeln diskutiert wurden.


Der Gesellschaftsvertrag für Nord- und Ostsyrien basiert auf einem ökologisch-demokratischen und frauenbefreienden Paradigma, kommunaler Ökonomie, Selbstverwaltung, sozialer Gerechtigkeit und einer demokratischen Konföderation der Räte. Stêr Bişar Qasim, Mitglied des Frauenrates von Nord- und Ostsyrien, war Mitglied der Vorbereitungskommission für den Gesellschaftsvertrag. Im ANF-Gespräch erklärte sie, dass im Gesellschaftsvertrag bereits die Rechte der ethnischen und religiösen Identitäten, die ohnehin in Nord- und Ostsyrien geschwisterlich zusammenleben, garantiert seien. Ein neuer Gesellschaftsvertrag sei jedoch nötig geworden, da gewisse Mängel bestanden hätten und neuere Entwicklungen nicht einbezogen worden seien. So werden nun die Frauenräte im Gesellschaftsvertrag beschrieben, und es wurden Artikel eingeführt, um die Arbeit der Ökonomie-, Gesundheits-, Bildungs- und anderer Komitees effektiver zu gestalten. „Es bestand die Notwendigkeit, die Erfahrungen der elf vergangenen Jahre Revolution und die damit zusammenhängenden Veränderungen in den Gesellschaftsvertrag einzubringen.“

„Verfassungsmäßige Garantie aller Unterschiedlichkeiten“

Stêr Bişar Qasim erinnerte daran, dass es in Nord- und Ostsyrien verschiedene ethnische Identitäten wie Kurd:innen, Araber:innen, Armenier:innen, Assyrer:innen, Tscherkess:innen, Tschetschen:innen sowie religiöse Identitäten wie Muslim:innen, Christ:innen, Jüd:innen und Ezid:innen gibt. Sie fuhr fort: „Deshalb war es notwendig, die Rechte der verschiedenen ethnischen und religiösen Identitäten zu schützen und ein gemeinsames Leben aufzubauen. Der von der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien akzeptierte Gesellschaftsvertrag ist ein Vertrag im Sinne des Prinzips der demokratischen Nation. Er wurde mit der Zustimmung aller Segmente der Gesellschaft und unter Beteiligung der Vertreter:innen aller Institutionen, Organisationen, Religionen, Konfessionen und Völker umgesetzt. Es war inakzeptabel, dass nur eine nationale Identität herrscht und andere Nationen in einer Minderheitenposition bleiben. Mit dem Gesellschaftsvertrag wurden die Rechte der verschiedenen ethnischen, religiösen und konfessionellen Identitäten gesichert.“

Erneuerung vom Gesundheitswesen bis zur Ökonomie“

Stêr Bişar Qasim betonte, dass sich an den Grundsätzen und Prinzipien nichts geändert habe. Es ist ein neues System vorgesehen, das den Bedürfnissen der Region gerecht wird – von der Kommune bis zum Parlament, von der Wirtschaft bis zu den Finanzen, vom Gesundheitswesen bis zur Bildung.

Neuorganisierung der Kantone

Stêr Bişar Qasim sagte über die Reform der regionalen Organisierung in Form von Kantonen: „Das System wurde auf sieben Kantone geändert, nämlich Cizîrê, Firat, Raqqa, Tabqa, Deir ez-Zor, Minbic und Efrîn-Şehba. Alle Artikel des Gesellschaftsvertrags sind wichtig; auch die Themen Bildung und Gesundheit wurden eingehend behandelt. Beim Aufbau eines besser organisierten Lebens auf der Grundlage der direkten Demokratie kann kein Schritt ohne das Volk getan werden. Es wurden Diskussionen geführt, um das Leben der Menschen zu verbessern und das Bildungs- und Lernsystem so zu gestalten, dass eine organisierte und bewusste Gesellschaft entsteht.“

Das Ziel ist eine demokratische Republik“

Es geht, wie es im Gesellschaftsvertrag heißt, um den Aufbau eines demokratischen Syriens, sagte Stêr Bişar Qasim und fügte Folgendes an: „Wir schaffen ein Modell, das weit von einem autokratischen System entfernt ist. Die Ergebnisse des zentralistischen Systems in Syrien liegen uns offen vor Augen. Die Rechte der verschiedenen ethnischen, religiösen und konfessionellen Identitäten wurden verletzt. Aus diesem Grund haben wir sowohl in unseren Diskussionen als auch im vorliegenden Gesellschaftsvertrag die Demokratische Syrische Republik als unser Ziel benannt. Außerdem kann der Vertrag geändert werden, falls eine Einigung über eine demokratische Verfassung in Syrien erzielt wird. Demokratie ist ein System, das die Aufmerksamkeit auf das Gemeinschaftsleben lenkt, das auf Gleichheit und Gerechtigkeit basiert, durch den Beschluss des Volkes geleitet wird und das Zusammenleben in den Mittelpunkt stellt.“