Rojava-Themenabend im Wiener Schauspielhaus

Auf Initiative des Rats der kurdischen Gesellschaft in Österreich (Feykom) hat im Wiener Schauspielhaus eine Veranstaltung zur Situation in Rojava stattgefunden.

Selbstverwaltung in Nordostsyrien

Am Dienstagabend veranstaltete der in Wien ansässige Rat der kurdischen Gesellschaft in Österreich (Feykom) im Schauspielhaus eine Gesprächsrunde zur Situation in Rojava, in der mit Necibe Qeredaxî, Sara Marcha und Ari Milan gleich drei Stimmen vertreten waren, die – übersetzt von Feykom-Sprecher Redar Han – Einblicke aus erster Hand geben konnten. Das zahlreich erschienene Publikum wurde bei dieser Gelegenheit auch über die historisch-ideologischen Wurzeln der basisdemokratischen Selbstverwaltung informiert und konnte in der anschließenden Frage- und Antwortrunde weitere Informationen beziehen.

Historischer Abriss

Ari Milan skizzierte die Geschichte der kurdischen Selbstverwaltung von den Anfängen 2011/12 im Rahmen des sogenannten Arabischen Frühlings über den Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS), bis hin zur momentanen Problematik mit den internierten Dschihadisten und ihren Familien. Er betonte insbesondere die Notwendigkeit einer Kooperation seitens westlicher Länder zur Rückführung ihrer Staatsangehörigen, um den Druck auf die Region im Angesicht wiederholter Ausbruchsversuche, Anschläge von IS-Zellen sowie türkischer Offensiven zu mildern. Die vor Ort existierenden Kapazitäten seien in vielfacher Hinsicht an ihre Grenzen gelangt.

Revolution und Jineolojî

Als „Revolution der Geisteshaltung“ bezeichnete Necibe Qeredaxî die Revolution in Rojava. Sie erhalte ihre Bedeutung vor allem durch die – bereits von Abdullah Öcalan betonte – zentrale Rolle der Frauenbewegung im Kampf gegen Patriarchat, Kapitalismus und staatlich verordneten Homogenisierungsdruck. In Schulungen lerne die örtliche Bevölkerung die wesentlichen ideologischen Elemente der Revolution kennen. Das Ideal einer breit angelegten Inklusion möglichst aller sozialen Gruppen entfalte globale Vorbildwirkung und lasse die Hoffnung auf eine bessere Welt aufkommen. Die Verteidigung dieser Hoffnung sei mit großen Mühen und Opfern verbunden, so Qeredaxî.

Sara Marcha, tätig am Brüsseler Institut für Jineolojî, legte ihren Fokus auf den Bildungsbereich. Das Feld der Jineolojî – die Wissenschaft der Frauen – müsse man als alternativen Zugang zu gesellschaftsrelevanten und damit auch politischen Themen begreifen, welches langfristig Umdenken erzeuge. Die klassische Vorstellung schneller Umstürze erweise sich demnach als wenig nachhaltig, die heute vorherrschenden Probleme seien eher systemisch denn personengebundener Natur, sodass effiziente Ursachenforschung statt Symptombekämpfung umso relevanter sei. Aus der Vergangenheit müssten Lehren für die Zukunft gezogen und Frauen und ihre Errungenschaften aus dem Schatten männlich dominierter Geschichtsperspektive wieder ans Licht gebracht werden. In ihrem eigenen Interesse solle die Revolution fähig sein, sich stetig neuen Gegebenheiten anzupassen, statt in Dogmen zu verharren, unterstrich Marcha. Möglichkeiten dazu sieht sie in einem progressiven, auf Selbstreflexion basierenden Bildungssystem, das den Menschen auf sie zugeschnittene Inhalte durch lokale Forschungseinrichtungen wie das Andrea-Wolf-Institut mitgibt. Diese Arbeit sei Inspiration für den Rest der Welt.

Nach reger Publikumsbeteiligung an der Fragerunde fand der Abend bei Tapas und Getränken seinen Ausklang.