Politische Gefangene in der Türkei befinden sich seit Ende November in einem gruppenweise geführten Hungerstreik für eine Lösung der kurdischen Frage. Die Minimalforderung ist die Aufhebung der rechtswidrigen Isolation von Abdullah Öcalan. Zur Unterstützung von außen finden in Amed, Wan, Mersin und Adana „Gerechtigkeitswachen“ statt, an denen sich vor allem Mütter von Gefangenen beteiligen.
Eine der Mütter in Amed ist Afife Kartal. Ihr Sohn Muhammed Kartal, der in einer Einzelzelle im Hochsicherheitsgefängnis von Antalya in Hungerstreik getreten ist, wurde 2017 in der Familienwohnung in Amed festgenommen und wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation" verhaftet. Gegenüber ANF berichtete Afife Kartal: „Mein Sohn wurde verhaftet und am Zuckerfest ins Gefängnis gebracht. Bei der Hausdurchsuchung hielten sie uns eine Waffe an den Kopf und bedrohten mich und meinen Mann. Mein Sohn ist seit sechs Jahren im Gefängnis, weil jemand ausgesagt hat."
Afife Kartal hat mit ihrem Sohn telefoniert, als der Hungerstreik begann. Von dem Telefonat erzählte sie: „Ich habe ihm gesagt, dass wir eine Gerechtigkeitswache für sie gestartet haben. Er war sehr glücklich und erfreut. Er unterstützt unsere Mahnwache und gratulierte uns allen. Ich sagte ihm, dass ich alle Gefangenen beglückwünsche, die in den Hungerstreik getreten sind, und dass wir ihnen beistehen werden. Er war gut gelaunt. Unsere Kinder werden den Hungerstreik nicht aufgeben, solange die Isolation nicht durchbrochen wird. Solange sie zwischen vier Mauern festgehalten werden, werden wir draußen weiterkämpfen. Wir unterstützen ihre gerechte Sache. Ich appelliere an alle patriotischen Familien hier: Unterstützen Sie uns, damit diese Isolation durchbrochen wird und unsere Kinder ihren Hungerstreik beenden."
Ihr Kampf werde weitergehen, bis die gegen Abdullah Öcalan verhängte Isolation durchbrochen ist, so Afife Kartal: „Die Isolation unserer Kinder wird erst dann durchbrochen werden, wenn die Isolation von Rêber Apo durchbrochen ist. Solange unsere Kinder im Hungerstreik sind, werden wir hier weiter wachen. Ich bin krank, ich hatte dreimal eine Angioplastie, aber ich bin immer noch für meine Kinder da und werde nicht aufgeben. Mein Gewissen ist nicht beruhigt, solange unsere Kinder im Gefängnis im Hungerstreik sind. Wie kann ich zu Hause ruhig schlafen, während sie dort kämpfen? Wir wollen, dass unsere Kinder sicher aus dem Gefängnis entlassen werden. Uns ist immer mit Gewalt begegnet worden. Wir werden diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen."
Hintergrund: Hungerstreik in türkischen Gefängnissen
In der Türkei inhaftierte Mitglieder und Sympathisant:innen der PKK und PAJK sind am 27. November zur Unterstützung der internationalen Kampagne „Freiheit für Öcalan und eine politische Lösung für die kurdische Frage" in einen Hungerstreik getreten. Der Hungerstreik wird gruppenweise im Wechsel geführt und ist vorerst befristet bis 15. Februar. Kranke und Alte sowie Gefangene mit einer Reststrafe von unter zwei Jahren werden nicht in die Aktion einbezogen. Der Gefangenensprecher Deniz Kaya rief die Gefangenen zum kollektiven Handeln und zum Verzicht auf individuelle Aktionsformen auf.
Die Erklärung zum Hungerstreik enthält eine ausführliche politische Analyse zu den Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten. Die Minimalforderung des Hungerstreiks ist die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Von dem PKK-Begründer und kurdischen Vordenker gibt es seit März 2021 kein Lebenszeichen mehr. „Wenn von Imrali nichts zu hören ist, ist im negativen Sinne alles denkbar. Zu dieser Annahme veranlasst uns die Tradition der Republik Türkei und das, was wir bis heute erleben. Auf Imrali wird der eigentliche Kampf geführt. Seitdem 2015 die Tore von Imrali für die Öffentlichkeit geschlossen wurden, wird das Konzept eines totalen Krieges umgesetzt. Die Gewalt der Massaker und Einschüchterungspolitik draußen ist ein Hinweis darauf, dass der Kampf auf Imrali mit gleicher Intensität geführt wird“, erklärte Gefangenensprecher Deniz Kaya, „Wo auch immer wir atmen, wir werden niemals unser Beharren auf ein freies Leben und unseren Glauben an die freie und gleichberechtigte Einheit unserer Völker aufgeben.“