Von damals bis heute: Newroz in Frankfurt

In Frankfurt am Main werden heute Zehntausende Menschen Newroz feiern. - Wissenswertes über das zentrale kurdische Neujahrs- und Widerstandsfest im Frankfurter Rebstockpark.

Kurdisches Neujahrsfest im Frankfurter Rebstockpark

Die ersten Aufzeichnungen über kurdische Newroz-Feiern in Deutschland basieren auf den Memoiren von Celadet Bedirxan. Der kurdische Schriftsteller, Journalist und Linguist studierte zwischen 1929 und 1931 in Deutschland Jura und berichtete, dass Studierende aus Kurdistan bereits damals Newroz feierten. Später, als Kurd:innen in den 1950er und 1960er Jahren zum Studium nach Deutschland kamen, wurden diese Feiern wieder aufgenommen. In den 1970er Jahren nahm die Anzahl der Arbeitsmigrant:innen und Flüchtlinge aus Kurdistan zu und Newroz wurde in vielen deutschen Städten gefeiert.

1979 auf einem Bauernhof bei Aachen

Die PKK veranstaltete ihre erste Newroz-Feier in Deutschland 1979 auf einem Bauernhof bei Aachen. Beim zweiten Newroz der PKK in Deutschland wurde ein VHS-Video mit einer Rede Abdullah Öcalan abgespielt. 1982 kamen Hozan Sefkan und Hozan Mîzgîn nach Europa und die kulturellen Aktivitäten der kurdischen Bewegung nahmen eine professionelle Form an. Auf diese Weise wurde Newroz zu einer kulturellen Massenveranstaltung. 1982 wurde Newroz in Bochum gefeiert und die Veranstaltung stand im Zeichen der Solidarität mit dem Widerstand kurdischer Gefangener im Foltergefängnis von Amed (tr. Diyarbakir). Auch heute noch sind auf Demonstrationen Bilder von Mazlum Doğan zu sehen, dem inhaftierten Mitbegründer der PKK, der am 21. März 1982 als Symbol für das Newroz-Feuer drei Streichhölzer anzündete, sie auf den Tisch in seiner Zelle legte und sich das Leben nahm. Er hinterließ die Nachricht: „Aufgeben ist Verrat, Widerstand führt zum Sieg”.

Seit 2019 in Frankfurt

Als in den 1990er Jahren immer mehr Kurdinnen und Kurden vor der Verfolgung durch den türkischen Staat flüchteten und in Europa Zuflucht suchten, wurde Newroz in vielen Städten massenhaft gefeiert und damit zu einer der wichtigen Säulen des Kampfes in Kurdistan. Mittlerweile gibt es neben unzähligen lokalen Feiern rund um den 21. März jedes Jahr eine zentrale Veranstaltung, zu der Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen. Seit 2019 findet die zentrale Feier in Frankfurt am Main statt, mit Ausnahme der Corona-Jahre 2020/2021.

Buntes Bühnen- und Rahmenprogramm

Wie in den vergangenen beiden Jahren wird auch heute wieder im Frankfurter Rebstockpark gefeiert. Nach Angaben von Kerem Gök, Ko-Vorsitzender von KON-MED, gibt es auf dem Gelände 35 Essensstände, 15 Getränkestände, einen Bücherstand und 60 Informationsstände verschiedener Organisationen. Für die Sicherheit sorgen 600 von den Veranstalter:innen beauftragte Personen. Erwartet werden neben tausenden Teilnehmenden aus dem Bundesgebiet auch Gäste aus angrenzenden Ländern. Das Bühnen- und Rahmenprogramm beinhaltet Auftritte von Bands und Künstler:innen wie Çarnewa, Seyda Perinçek, Ali Tekbaş (Lawje), Mad Art, Koma Rojava, Berfîn Mamedova, Deza Amed, Ibo Qamişlo und Riyad-Abo. Außerdem wird es Govend-Aufführungen, politische Reden und Mitmachangebote geben.

Dreißig Jahre nach der Aktion von Ronahî und Bêrîvan

In Frankfurt wird heute auch an Bedriye Taş (Ronahî) und Nilgün Yıldırım (Bêrîvan) erinnert werden. Vor dreißig Jahren, am 17. März 1994, verbrannten die beiden Kurdinnen sich aus Protest gegen die Kriminalisierung des kurdischen Freiheitskampfes am Neckarufer bei Mannheim. Ihrer Aktion vorangegangen war das am 26. November 1993 vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) verhängte Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) sowie für Dutzende Kulturvereine, eine Nachrichtenagentur und einen Verlag. Im März 1994, vier Monate nach dem Verbot der PKK, wurden in Deutschland nahezu alle Newroz-Veranstaltungen verboten, Busse auf Autobahnen festgehalten, Teilnehmende von Veranstaltungen und Demonstrationen festgenommen und registriert. Um dennoch das kurdische Neujahrsfest feiern zu können und aus Protest gegen das polizeiliche Vorgehen wurde auch auf den Autobahnen demonstriert. Mehrere Menschen übergossen sich mit Benzin und zündeten sich an. Sie wählten den Freitod durch Selbstverbrennung, um auf die Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden aufmerksam zu machen – und die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Kurdistan. Auch der Trauermarsch für Ronahî und Bêrîvan in Mannheim wurde verboten. Um die Teilnahme daran zu verhindern, waren bundesweit 32.000 Polizist:innen im Einsatz. Einigen tausend Menschen gelang es trotzdem, in die Mannheimer Innenstadt zu gelangen. Anstatt über die Beweggründe der Aktionen und den Krieg in Kurdistan zu berichten, wurde in den Medien von „Kurdenterror” gesprochen. An dieser Haltung hat sich bis heute kaum etwas verändert.

Für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine Lösung der kurdischen Frage

Die zentrale Forderung auf der heutigen Veranstaltung bezieht sich auf die im vergangenen Oktober lancierte Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage“. Mit der Feier soll laut KON-MED die international geführte Initiative gegen die Isolation des seit 25 Jahren in der Türkei inhaftierten PKK-Begründers und den Krieg in Kurdistan gestärkt werden. „Newroz soll dem Völkermord ein Ende setzen“, sagte Kerem Gök.

Einladung von KON-MED

„Am 21. März feiern die Völker des Mittleren Ostens das Newroz-Fest als Beginn des Frühlings und damit des neuen Jahres. Für uns Kurd:innen ist Newroz zugleich ein Symbol des Aufbegehrens gegen Unterdrückung und Krieg, für Frieden und Freiheit, in Kurdistan, im Mittleren Osten und weltweit“, so der Dachverband in seiner Einladung zu der Veranstaltung. „Nach der kurdischen Mythologie haben die Menschen in Kurdistan an Newroz die Herrscher abgeschüttelt und sich von der Tyrannei befreit. Erstmals 612 v. Chr. in Medien, auch Mederreich genannt, gefeiert, erhob sich an diesem Tag der Schmied Kawa gegen den König Dehaq (auch Dehak), um das Leben seiner Kinder und des Volkes zu schützen. Er stürzte den Tyrannen vom Thron und entzündete im Palast ein großes Feuer, um dem Volk die Botschaft der Freiheit zu überbringen. Diese mythologische Geschichte ist ein wichtiger Bestandteil der kurdischen Gesellschaft und vieler anderer Völker im Mittleren Osten. Auch die Symbolik des Feuers als Hoffnung steht bis heute im Mittelpunkt vieler Geschichten, Traditionen und sogar Religionen. Deshalb steht Newroz wie kein anderer Tag im Jahr für das Streben nach Frieden, Freiheit und Demokratie. Der 21. März ist auch der Internationale Tag gegen Rassismus. Der Kampf für Demokratie und Freiheit ist in diesem Jahr aktueller und notwendiger denn je. In diesem Sinne laden wir alle Interessierten herzlich zu unserem Fest ein.“


Der Text basiert auf einem Artikel von Rewşan Deniz in der Tageszeitung Yeni Özgür Politika. Für Rückfragen von Journalist:innen zu der heutigen Veranstaltung stehen Mitarbeiter:innen von Civaka Azad (Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.) zur Verfügung (Mobil: 0163-5345445, E-Mail: [email protected])