Selbstverbrennungen von Kurd:innen
Anlässlich des 30. Jahrestags des Freitods der Kurdinnen Bedriye Taş (Ronahî) und Nilgün Yıldırım (Bêrîvan) veranstaltet der Verein Kurdisches Gemeinschaftszentrum Mannheim/Ludwigshafen e.V. eine Gedenkfeier. Die Veranstaltung soll am 17. März in der Mannheimer Jungbuschhalle plus X stattfinden, teilte die Verein in einer Mitteilung mit.
Am 26. November 1993 verhängte der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) ein Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) sowie für Dutzende Kulturvereine, eine Nachrichtenagentur und einen Verlag. Unmittelbarer Anlass war, dass – in Reaktion auf das von der türkischen Armee als Racheakt an der Zivilbevölkerung verübte Massaker von Licê mit 15 Toten – bei europaweiten Demonstrationen gegen den Krieg in Kurdistan türkische Einrichtungen angegriffen worden waren, und dies der PKK angelastet wurde. Tatsächlich war das Verbot in enger Zusammenarbeit zwischen der deutschen und türkischen Regierung von langer Hand vorbereitet worden.
Im März 1994, vier Monate nach dem Verbot der PKK in Deutschland, wurden dann noch nahezu alle Newroz-Veranstaltungen in der BRD verboten, Busse auf Autobahnen festgehalten, Teilnehmende von Veranstaltungen und Demonstrationen festgenommen und registriert. Um dennoch das kurdische Neujahrsfest feiern zu können und aus Protest gegen das polizeiliche Vorgehen, wurde auch auf den Autobahnen demonstriert. Mehrere Menschen übergossen sich mit Benzin und zündeten sich an. Sie wählten den Freitod durch Selbstverbrennung, um auf die Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden aufmerksam zu machen – und die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Kurdistan.
Nilgün Yıldırım und Bedriye Taş hatten sich in Mannheim selbst verbrannt. Das Ereignis fand am 17. März 1994 auf der Maulbeerinsel statt. Die Insel liegt zwischen Neckarkanal und Altneckar auf Mannheimer Gemarkung. Der anschließende Trauermarsch für die beiden Frauen wurde ebenfalls verboten. Ein Massenaufgebot von 32.000 Polizisten bundesweit sollte die kurdische Gesellschaft daran hindern, zu trauern. Einigen tausend Menschen gelang es trotzdem, in die Mannheimer Innenstadt zu gelangen. Doch statt die Beweggründe der Aktionen zu analysieren und über den Krieg in Kurdistan zu berichten, sprachen die Öffentlichkeit und die Medien im Anschluss vom „Kurdenterror” und verlangten die Abschiebung von Kurd:innen aus Deutschland. An dieser Haltung hat sich bis heute kaum etwas verändert.
Programm der Gedenkfeier
Die für Ronahî und Bêrîvan geplante Gedenkfeier findet am Sonntag, 17. März, in der Zeit von 14 bis 17 Uhr in der Veranstaltungsstätte Jungbuschhalle plus X, Werfstraße 10, 68159 Mannheim statt. Das Programm besteht aus einer Begrüßungsrede durch den Verein, einem Kurzfilm über das Leben der beiden Frauen und die kurdischen Proteste in den 90er Jahren in Deutschland, einem Gedichtsvortrag sowie Livemusik von der kurdischen Sängerin Deniz Deman.
Foto: Gedenken an Ronahî und Bêrîvan am Ort ihrer Selbstverbrennung, 21. März 2022