Rechtsanwalt Bedirhan Sarsılmaz
Am 25. Oktober wurde der Anwalt Bedirhan Sarsılmaz in einem Gerichtssaal in Istanbul festgenommen und später wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ inhaftiert. Der Ermittlungsrichter begründete seine Inhaftierung vorrangig mit seinen Tätigkeiten als Anwalt. Sarsılmaz ist Mitglied der Istanbuler Abteilung der Juristenvereinigung ÖHD.
Konstrukt einer „Anwaltsstruktur der Terrororganisation“
Sein Verteidiger Emrah Baran berichtete im ANF-Gespräch über den Vorgang: „Am 25. Oktober waren wir mit unserem Kollegen bei der Verhandlung gegen DIAYDER [eine Organisation kurdischer Geistlicher, gegen die ein ‚Terrorverfahren‘ geführt wird] vor dem 14. Hohen Strafgericht in Istanbul. Die Polizei rief unseren Kollegen zum Eingang des Gerichtssaals und teilte ihm mit, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorliege. Wir intervenierten und er konnte sich mit unserer Hilfe verteidigen, aber noch vor Ende der Verhandlung wurde unser Kollege verhaftet. Am ersten Tag wurde er auf die Polizeistation gebracht und mit einer 24-stündigen Kontaktsperre belegt. Am zweiten Tag durften wir ihn besuchen. Er war verhört worden. Während des Verhörs wurde klar, dass die Anschuldigung auf Geheimdienstinformationen beruhte und dass gegen ihn als Teil einer angeblichen ‚Anwaltsstruktur der Terrororganisation‘ ermittelt wurde.
Dazu gehört zum Beispiel ein Gespräch, das unser Mandant mit dem Vater eines inhaftierten Mandanten geführt hatte. In dem fraglichen Gespräch informierte er den Vater über das Prozedere. Unser Kollege Bedirhan Sarsılmaz sagte in dem abgehörten Gespräch: ‚OK, wir können kommen und uns treffen.‘ In einem weiteren abgehörten Gespräch ging es um ein Gespräch mit einem Kollegen. Unser Kollege und Herr Bedirhan Sarsılmaz hatten einen Fall gemeinsam betreut. Dieses berufliche Gespräch wurde ebenfalls mit in die Ermittlungsakte gegen ihn einbezogen.“
Postings in den virtuellen Medien als Inhaftierungsgrund
Baran führte aus, dass neben der beruflichen Tätigkeit von Bedirhan Sarsılmaz auch seine Beiträge in den virtuellen Medien als Begründung für seine Inhaftierung herangezogen wurden. So dienten unter anderem Postings zu Studierendenprotesten und seine Teilnahme an solchen Protesten als Teil der Begründung für seine Inhaftierung. Auch kritische Beiträge zu Übergriffen der Polizei wurden zitiert. Dabei ging es um einen Polizeiangriff bei der Beerdigung des in Frankreich ermordeten kurdischen Künstlers Mîr Perwer sowie um seine Kritik an einer Polizeirazzia bei einer kurdischen Hochzeit wegen des Abspielens kurdischer Musik. Auch die Verbreitung von Artikeln der Zeitung Yeni Yaşam, in denen die Isolationshaft auf Imrali als rechtswidrig bezeichnet wurde, wurde als Haftgrund angeführt.
„Unsere anwaltliche Tätigkeit wird kriminalisiert“
Rechtsanwalt Emrah Baran betonte, dass Gespräche zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht abgehört werden dürfen. Er fügte hinzu: „Gemäß Artikel 58 des Rechtsanwaltsgesetzes muss ein Ermittlungsverfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen seiner beruflichen Tätigkeit direkt von der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden, was diese wiederum verpflichtet, die Aussage des Rechtsanwalts aufzunehmen. Als Rechtsanwalt machte er bei der polizeilichen Vernehmung von seinem Schweigerecht Gebrauch. Als er am nächsten Tag zum Gericht gebracht wurde, beantragte die Staatsanwaltschaft seine Inhaftierung, ohne auch nur seine Aussage aufzunehmen. Seine Inhaftierung wurde damit begründet, dass er angeblich mit Personen kommuniziert habe, die mit der Organisation im Allgemeinen in Verbindung stünden, d.h. mit den Personen, deren Verfahren er betreute.“
Baran schloss mit den Worten: „Mandantengespräche von Anwälten dürfen gemäß Artikel 135/3 der Strafprozessordnung nicht einmal aufgezeichnet werden. In Artikel 46 der Strafprozessordnung heißt es, dass Gespräche mit Personen, die möglicherweise nicht aussagen, nicht aufgezeichnet werden dürfen, und wenn sie aufgezeichnet werden, sollten die Aufnahmen vernichtet werden. Unsere Anträge an die Staatsanwaltschaft gingen in diese Richtung, wurden aber nicht angenommen. Die Tätigkeit von Anwälten wurde direkt kriminalisiert. Das Recht auf Verteidigung wird ins Visier genommen.“