Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul-Çağlayan
Nach der Guerillaaktion gegen den Rüstungskonzern TUSAŞ in Ankara am 23. Oktober will der türkische Staat durch eine neue Repressionswelle gegen die demokratische Opposition Handlungsfähigkeit demonstrieren. Am 25. Oktober wurden allein in Istanbul 38 Personen unter Terrorvorwürfen festgenommen. Am Montag wurden 19 von ihnen wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ inhaftiert, während die Übrigen unter Meldeauflagen freikamen. Unter den Inhaftierten befindet sich der Anwalt der Juristenvereinigung ÖHD, Bedirhan Sarsılmaz. Sarsılmaz war während seiner Anwaltstätigkeit bei einer Gerichtsverhandlung festgenommen worden. Der Ermittlungsrichter ordnete seine Inhaftierung an. Einziges „Beweismittel“ dabei waren seine Aktivitäten als Verteidiger.
Inhaftierungen aufgrund von absurden Vermutungen
Auch bei den anderen Personen beruhten die Inhaftierungen bestenfalls auf Vermutungen. Anwält:innen des ÖHD begleiteten die Festgenommenen. Sie berichteten, dass die Polizei nicht in der Lage war, konkrete Anschuldigungen vorzubringen. Alle Vorwürfe basierten auf Vermutungen oder „geheimen nachrichtendienstlichen Informationen“. Insbesondere junge Aktivist:innen seien unter Druck gesetzt worden. Sie wurden befragt, ob sie Mitglieder des Revolutionären Jugendverbandes seien. Ihnen wurden hypothetische Fragen gestellt, so etwa: „Es soll eine Aktion stattfinden, würden Sie dann auch überlegen, an dieser Aktion teilzunehmen“ oder „Hat man Sie in den Vereinen, zu denen Sie gegangen sind, um Geld gebeten“.
Kundgebung vor dem Gericht
Der ÖHD Istanbul führte zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul-Çağlayan durch. Der ÖHD-Vorsitzende Serhat Çakmak, sowie viele weitere Menschen nahmen an der Kundgebung teil. Während der Kundgebung wurden Parolen wie „Der ÖHD hat nicht geschwiegen und wird nicht schweigen“ und „Bijî berxwêdana gelê Kurd“ (dt: Es lebe der Widerstand des kurdischen Volkes) skandiert.
Çakmak sagte: „Wir alle sind uns bewusst, wie hoch der Preis für die Verteidigung eines Volkes ist. Es ist wie ein brennendes Hemd zu tragen. Wir wissen, was die Kampftradition, in der wir stehen, bedeutet, und wir wissen, was auf uns zukommt. Aber wir werden unsere Anwaltspraxis fortsetzen, bis die Grundrechte und -freiheiten garantiert sind, bis eine Demokratisierung erreicht und die kurdische Frage in der Türkei gelöst ist.“
„Das Recht ist zum Mittel der Politik geworden“
Çakmak schloss mit den Worten: „Die Verfahren der 18 inhaftierten Personen unterscheiden sich nicht von denen unseres Kollegen. Als Opfer eines politischen Vernichtungsangriffs wurden sie vor Gericht gestellt und inhaftiert. Solche Verhaftungen sind politisch orientiert. Als Verteidiger des Rechts hätten wir eine Bewertung gemäß der Wahrheit und dem Gesetz erwartet, nicht eine politische. Aber leider haben wir heute gesehen, dass das Recht erneut zu einem Werkzeug der Politik geworden ist.“