Türkdoğan: Leichen per Paket zu verschicken, ist ein Verbrechen

Der Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD, Öztürk Türkdoğan, sieht in der Zusendung der Leiche des HPG-Guerillakämpfers Mahsum Aslan an seine Familie ein Hassverbrechen, das juristische Konsequenzen erfordert.

Der Leichnam des Guerillakämpfers Mahsum Aslan ist bereits der zweite Fall, in dem die sterblichen Überreste eines Gefallenen den Angehörigen per Paket zugestellt werden. Der Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD, Rechtsanwalt Öztürk Türkdoğan, sieht darin eine Straftat. Er erklärt gegenüber ANF, dieses Vorgehen widerspreche dem individuellen Anspruch auf Achtung des Andenkens und stelle eine Respektlosigkeit dar. „Man muss die Toten respektieren. In unserer Gesetzgebung wird ein Verfahren beendet, wenn die angeklagte Person stirbt; wenn der Mensch tot ist, ist es vorbei. Und dieses Gesetz, das auf alle Menschen angewendet werden sollte, ist für alle gleich. Der Verstorbene hat Verwandte, er hat einen Platz in der Gesellschaft, seine ethnische und politische Identität dürfen keine Rolle spielen. Man muss das Andenken und die lebenden Angehörigen respektieren. Das ist im türkischen Strafgesetzbuch explizit geregelt. Entsprechend dieses Artikels unterliegen die Friedhöfe und die physische Integrität der Toten einem besonderen Schutz und müssen respektiert werden“, erklärt er.

In jeder Gesellschaft hat das Ertragbare Grenzen“

Türkdoğan sagt, dass das Ertragbare für jede Gesellschaft Grenzen hatt: „Leichname müssen in einem Leichenwagen zu den Angehörigen gebracht werden. Sie können nicht per Post verschickt werden, denn es handelt sich nicht um einen Gegenstand. Wenn man das tut, dann ist das direkte Diskriminierung, es ist Demütigung, es ist Hass.“ Der Menschenrechtsanwalt führt aus, dass dieses Vorgehen ein Hassverbrechen nach Artikel 130 des türkischen Strafgesetzbuchs darstellen könne. Er fährt fort: „Unabhängig von Ethnizität, Glauben, Identität oder Vergehen muss eine Person, die ihr Leben verliert, genauso behandelt werden wie jede andere Person auch. Wenn man die Erinnerung an die Toten nicht respektiert, wenn man die Leiche wie einen Gegenstand behandelt und sich respektlos der Familie gegenüber verhält, dann steht dahinter Hass. Das ist die eigentliche Bedeutung davon. Erniedrigung ist auch ein Hassverbrechen. Ein solches Verhalten von Beamten der öffentlichen Verwaltung und Regierung muss von der türkischen Behörde für Menschenrechte und Gleichstellung untersucht werden. Diskriminierung ist verboten.“

Hinter allem steht der Hass“

Die Zusendung von Leichen von gefallenen Guerillakämpfern ist Teil einer Form der psychologischen Kriegsführung, mit der der Widerstandswille der kurdischen Bevölkerung gebrochen soll. Türkdoğan erinnert auch an die 261 Toten, die auf dem Friedhof Kilyos unweit des gleichnamigen Badeortes am europäischen Eingang des Bosporus in einem Abschnitt für „Tote ohne Namen“ begraben wurden und sagt: „Der IHD hat einen Sonderbericht über die Überführung von mehr als 260 Leichen vom Kilyos-Friedhof zur Gerichtsmedizin erstellt. Wir haben das Justizministerium und das Innenministerium diesbezüglich gewarnt. Wir haben auch Strafanzeige gegen die verantwortlichen Behörden gestellt, aber das Verfahren wurde eingestellt. Dies steht jedoch im strikten Widerspruch zu den geltenden Rechtsvorschriften und ist inakzeptabel. Ihre Bestattung in Plastikkisten unter einem Weg auf einem anonymen Friedhof widerspricht ohnehin der Friedhofsverordnung. Das Motiv hinter all dem ist Hass. Wenn wissentlich gegen eigenes Gesetz verstoßen wird und keine Behörde widerspricht, es sogar geduldet wird, dann gibt es keine andere Erklärung dafür. Das ist ein ernstes Problem.“ Türkdoğan erinnert daran, dass es internationale Regeln gibt, die auch in Konfliktzeiten anzuwenden sind.

Solche Handlungen bringen niemanden etwas, aber sie nehmen uns die Menschlichkeit“

Der Menschenrechtsanwalt erklärt: „Man kann die Leichen von Angehörigen des kurdischen Volkes nicht einfach mit der Post verschicken. Dieses Volk hat ein Bewusstsein, es hat ethische, moralische und religiöse Werte. Die Menschen sehen, dass diese Diskriminierung gegen sie gerichtet ist. Das vergrößert den Hass. Die Regierung sollte solche Dinge nicht zulassen. Gegen Regierungsbeamte, die so etwas tun, müssen Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Solche Handlungen bringen niemandem etwas; sie nehmen uns aber unsere Menschlichkeit.“

Türkdoğan betont die Notwendigkeit, dass die Familie des Gefallenen sich an die Menschenrechts- und Gleichstellungsbehörde der Türkei wenden und sowohl gerichtliche als auch administrative Beschwerden einreichen solle. Außerdem müsse das Thema auf die parlamentarische Tagesordnung gebracht und die Regierung davor gewarnt werden, eine solche Praxis fortzusetzen.