Türkischer Innenminister tritt nach „Lockdown“ zurück

Der türkische Innenminister ist zurückgetreten. Offiziell wegen dem verunglückten Start der Ausgangssperre, die zu Chaos und Panikkäufen geführt hatte. Laut Oppositionellen steckt hinter der Entscheidung politisches Kalkül, geplant im AKP-Palast.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu ist zurückgetreten. Er übernehme die volle Verantwortung für die am Freitag verhängte Ausgangssperre in mehreren Städten und die Folgen, teilte Soylu auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Das Innenministerium hatte am späten Freitagabend zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 kurzfristig einen 48-stündigen Lockdown in 31 Städten verhängt und einen gegenteiligen Effekt erzielt. Der Lockdown beinhaltete auch die größte Stadt des Landes, die Millionenmetropole Istanbul, sowie Ankara, Izmir und zahlreiche kurdische Metropolen wie Amed (Diyarbakir). Weil die Maßnahme erst knapp zwei Stunden zuvor verkündet wurde, kam es zu Panikkäufen und Menschenansammlungen in den betroffenen Städten. Die HDP kritisierte, dass die vermeintliche Präventionsmaßnahme vielmehr zu einer schnelleren Verbreitung der Pandemie geführt habe.

Soylu schrieb außerdem, er habe das Amt des Innenministers mit Stolz ausgeübt und werde dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan immer treu bleiben.

Für viele Menschen, insbesondere Kurden und Oppositionelle, war der auf Wunsch Erdoğans aus der Partei von Tansu Çiller – die als Verantwortliche für die Pogromstimmung der 1990er Jahre gesehen wird – importierte Süleyman Soylu vielmehr „Kriegsminister“. Seine Haltung gegenüber der kurdischen Bevölkerung brachte er erst vor wenigen Tagen wieder zum Ausdruck, als auf sein Betreiben hin die Leiche des Guerillakämpfers Agit Ipek per Postpaket an seine Familie in Amed geschickt wurde. Oppositionelle und Aktivisten der kurdischen Befreiungsbewegung bezeichnete Soylu stets als „potenzielle Feinde“, „Terroristen“ und „Verräter“.

Stolz war Soylu eigenen Angaben nach auch, als er vor knapp zwei Jahren den Polizeieinsatz gegen die 700. Mahnwache der Istanbuler Initiative der Samstagsmütter anordnete. Er warf den Hinterbliebenen von Verschwundenen die „Unterstützung von terroristischen Organisationen“ vor und beschimpfte sie als „Drecksleute“. Gegen Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP), darunter die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan, sprach er mehrfach Todesdrohungen aus.