Türkei: Anwaltsverbot in Gefängnissen

Das türkische Justizministerium hat wegen der Coronakrise für zwei Wochen Anwaltsbesuche bei Gefangenen untersagt. Die Gefängnisse sind extrem überbelegt, die Forderung nach Freilassung aller Häftlinge wird immer lauter.

Das türkische Justizministerium hat in einem Rundschreiben an alle Haftanstalten den Besuch von Anwälten bei ihren Mandanten verboten. Ausgenommen sind Notfälle, bei denen die Vollzugsleitung Sondergenehmigungen erteilen kann. Das Besuchsverbot gilt zunächst für zwei Wochen und kann nach Angaben des Ministeriums verlängert werden.

In der Türkei sind über 300.000 Menschen in Haft. Insgesamt gibt es 366 Gefängnisse mit einer Kapazität von 233.000 Insassen. Angesichts der Corona-Pandemie fordern Menschenrechtsorganisationen und weitere zivilgesellschaftliche Einrichtungen in der Türkei die sofortige Freilassung aller Gefangenen. Eine auf Türkisch, Englisch und Deutsch abgefasste Onlinepetition für die Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei angesichts der Corona-Pandemie wurde bereits von über 56.000 Personen unterschrieben. Auch die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet warnt vor einer flächenbrandartigen Ausbreitung des Coronavirus in Haftanstalten und appelliert an die Staaten weltweit, nach Wegen zu suchen, die besonders von Covid-19 bedrohten Insassen freizulassen.

Im türkischen Parlament soll in der kommenden Woche ein Justizreformpaket verabschiedet werden, das eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes beinhaltet. In Zeiten der weltweiten Covid-19-Pandemie, die auch die Türkei fest im Griff hat, wolle man die Gefängnisse entlasten und eine Amnestie erlassen, so die offizielle Version. Sollte der Entwurf angenommen werden, könnten bis zu 112.000 Strafgefangene entlassen werden. Von dem Gesetz profitieren würden nicht nur Kleinkriminelle, sondern auch Sexualstraftäter und wegen Drogendelikten oder organisierter Kriminalität verurteilte Personen. Lediglich sogenannte „Terrorstraftäter“, bei denen es sich größtenteils um politische Gefangene aus dem linken und kurdischen Spektrum handelt, sollen nicht berücksichtigt werden.