Todesursache: „Infektionskrankheit" oder „Atemwegsversagen"

Während sich die türkische Regierung mit ihrem erfolgreichen Management der Corona-Pandemie brüstet, häufen sich die Berichte über Todesfälle, bei denen eine andere Todesursache angegeben wird.

Offiziell sind in der Türkei 2706 Menschen an der vom neuartigen Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19 gestorben. Diese Zahl nannte das Gesundheitsministerium am Samstagabend. Während die Regierung sich mit ihrem erfolgreichen Management der Corona-Pandemie brüstet, werden die offiziellen Angaben von Ärzteverbänden und Gewerkschaften in Frage gestellt. In Istanbul stellte sich heraus, dass seit Mitte März in Tausenden Totenscheinen als Todesursache „Infektionskrankheit“ aufgeführt wird – eine Todesursache, die es bis zu diesem Zeitpunkt als offizielle Bezeichnung gar nicht gab.

Berichte dieser Art häufen sich. Die Nachrichtenagentur MA schildert den Fall von B.Y. aus Ankara, die ihren Vater nach eigenen Angaben durch die Viruserkrankung verloren hat. Im Totenschein wurde „Atemwegsversagen“ vermerkt.

B.Y., deren Identität aus Sicherheitsgründen anonym gehalten wird, berichtet von dem Tod ihres Vaters und ihrer eigenen Erkrankung: „Mein Vater hatte seit zwanzig Tagen Symptome wie bei einem grippalen Infekt. Als ich einen Krankenwagen anforderte, wurde ich gefragt, ob er Fieber hat. Ich verneinte, daraufhin wurde mir gesagt, dass es sich nicht um COVID-19 handeln kann, und aufgelegt. Ich brachte meinen Vater in ein Familiengesundheitszentrum, aber dort wollten sie ihn nicht untersuchen, weil er über 65 Jahre alt war. Ich regte mich darüber auf, daraufhin wurde aus der Ferne Fieber gemessen und er wurde nach Hause geschickt. Vier oder fünf Tage später bekam mein Vater Atemnot. Ich rief einen Krankenwagen und sagte, dass er Fieber hat, obwohl das nicht stimmte. Dann kam sofort ein Krankenwagen und brachte meinen Vater ins Krankenhaus. Einen Tag später ist er gestorben. Im Krankenhaus hatten sie ihn sofort intubiert. Im Totenschein wurde ‚Atemwegsversagen‘ vermerkt. Erst durch mein Beharren wurde ‚Coronavirus-Verdacht‘ hinzugefügt.“

Nach dem Tod ihres Vater wurden drei Familienmitglieder positiv getestet, so B.Y.: „Ich verlor zuerst meinen Geruchssinn. Die Ärzte sagten, dass solche Symptome auch bei normalen Krankheiten auftreten können. Fünf Tage lang wurden meine Mutter, mein Mann und ich mit Antibiotikum, Schmerz- und Grippemitteln behandelt. Dann wurden wir nach Hause geschickt. Im Entlassungsbericht wurde vermerkt, dass die klinischen Werte gut sind. Eine Woche später ging ich wegen heftigem Husten erneut ins Krankenhaus. Dort stellte sich heraus, dass die Krankheit meine Lunge angegriffen hat. In den Tomographie-Ergebnissen war jedoch später nichts zu sehen. Ich war zwei Mal im Krankenhaus, aber während der ganzen Zeit habe ich keinen Arzt gesehen, es waren einfach keine Ärzte da. Als ich entlassen wurde, habe ich noch mit einer Ärztin gesprochen, aber sie war Gynäkologin. Die Krankenschwestern kamen danach täglich zwei Mal, um Fieber, Blutdruck und die Sauerstoffwerte im Blut zu messen. Die Medikamente wurden vor die Tür gelegt. Wir wurden dann telefonisch benachrichtigt, dass wir sie hereinholen sollen.“

B.Y. sagt, dass sie und ihre Familie nach zwei Wochen Quarantäne in ihr normales Leben zurückgekehrt sind.