Die seit Monaten in türkischer Haft hungerstreikenden Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal sind in Istanbul in ein Krankenhaus zwangseingewiesen worden. Vermutlich steht eine Zwangsernährung bevor. Zuvor hatte ein Gericht in Istanbul einen Antrag auf Freilassung abgelehnt – trotz Feststellung der Haftunfähigkeit durch die Gerichtsmedizin. Eine Zwangsernährung nach so langem Entzug könnte tödliche Folgen haben.
In welche Krankenhäuser Ebru Timtik und Aytaç Ünsal gegen ihren Willen eingewiesen wurden, ist unterdessen unklar. Es ist sowohl die Rede vom staatlichen Krankenhaus „Dr. Sadi Konuk“ im Bezirk Bakırköy als auch vom Bildungs- und Forschungskrankenhaus „Kanuni Sultan Süleyman“ in Halkalı. Das Verteidigerteam der beiden Jurist*innen wurde vorab nicht in Kenntnis gesetzt, sondern erfuhr von der Zwangseinweisung durch das Personal im Hochsicherheitsgefängnis Silivri, wo eigentlich ein Mandantengespräch stattfinden sollte.
Hungerstreik für ein gerechtes Gerichtsverfahren
Ebru Timtik, eine Anwältin der linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ (türk. Halkın Hukuk Bürosu“), befindet sich seit mittlerweile 210 Tagen im sogenannten Todesfasten, ihr Kollege Aytaç Ünsal verweigert seit 179 Tagen jegliche Nahrungsaufnahme. Mit der Aktion fordern sie ein gerechtes Verfahren. Beide wurden aufgrund von widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Anschuldigungen des Überläufers Berk Ercan haben zur Verhaftung von knapp 200 Menschen geführt. Unter ihnen waren auch mehrere Mitglieder der Musikgruppe Grup Yorum und Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und am 24. April nach 297 Tagen Hungerstreik verstarb. Sie alle wurden im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C nach Terrorparagrafen verurteilt.
Grup Yorum-Mitglieder wurden ebenfalls zwangseingewiesen
Helin Bölek und Ibrahim Gökçek, zwei Mitglieder der linken Musikgruppe Grup Yorum, die dieses Jahr an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben sind, waren ebenfalls zur Zwangsernährung in ein Krankenhaus eingewiesen worden. Bölek starb Anfang April, nachdem sie 288 Tage lang die Nahrungsaufnahme verweigert hatte. Gökçek kam im Mai ums Leben – nur zwei Tage, nachdem er seinen 323 Tage andauernden Hungerstreik beendet hatte.