301-Verfahren gegen HDP-Sprecher Kubilay

Gegen den HDP-Sprecher Günay Kubilay ist auf Grundlage des umstrittenen Paragrafen 301 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dem Politiker wird „Beleidigung des Türkentums” vorgeworfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Ankara hat Ermittlungen gegen den stellvertretenden Ko-Vorsitzenden und Sprecher der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Günay Kubilay, eingeleitet. Die Anklage gegen den Politiker stützt sich auf den umstrittenen Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die „Beleidigung der türkischen Nation, des Staates der türkischen Republik und der Institutionen und Organe des Staates” regelt. Ihm werden seine Presseerklärungen und Aussagen als Parteisprecher zum Vorwurf gemacht.

Um was es dabei konkret geht, ist noch unklar. Bei der polizeilichen Zustellung der Vorladung war Kubilay nicht in der HDP-Zentrale in Ankara anwesend.

Der Paragraf 301 des türkischen Strafgesetzbuches ist wohl das bekannteste türkische Gesetz in Europa. Er verbietet die „Beleidigung des Türkentums” und staatlicher Institutionen wie der Armee. Der 2007 in Istanbul ermordete armenische Journalist Hrant Dink wurde als erster explizit wegen „Beleidigung des Türkentums“ angeklagt und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Seinem Sohn Arat Dink wurde das Delikt ebenfalls zum Vorwurf gemacht. Die Anwältin und Menschenrechtlerin Eren Keskin dürfte die am häufigsten auf Grundlage des umstrittenen Artikels 301 angeklagte Person in der Türkei sein. Die türkischen Behörden drangsalieren die Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD mit weit mehr als 100 Gerichtsverfahren.