Terrorverfahren gegen HDP Adana nach Kongress

Der HDP-Provinzverband in Adana hat gestern unter dem Motto „Wir organisieren uns und bauen die Freiheit auf“ seinen vierten Kongress ausgerichtet. Weil dabei die Parole „Bijî Serok Apo“ gefallen sei, wurde in Windeseile ein Terrorverfahren eingeleitet.

Gegen den Provinzverband der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der südtürkischen Provinz Adana ist ein Terrorverfahren eingeleitet worden. Grund dafür ist die Parole „Bijî Serok Apo“, die beim vierten Kongress des Verbands skandiert worden sein soll. Die Versammlung wurde am Sonntag unter dem Motto „Wir organisieren uns und bauen die Freiheit auf“ in einem restlos gefüllten Saal ausgerichtet, im Mittelpunkt stand die Bekräftigung des Zieles der Demokratisierung der Türkei. In Windeseile leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren ein und erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: „Propaganda für eine Terrororganisation“.

Gleich mehrfach sei die Parole, die übersetzt „Es lebe der Vorsitzende Apo“ – mit Apo ist Abdullah Öcalan gemeint – feierlich zu vernehmen gewesen, glaubt die Polizei. Eine bisher unbekannte Zahl an Teilnehmenden des Kongresses sei bereits vorgeladen und vernommen worden. Andere Parteimitglieder hätten ebenfalls eine Vorladung als Beschuldigte erhalten, teilte der Verband mit. Man habe allerdings damit gerechnet, dass die staatliche Repression angesichts des kraftvollen Zeichens beim Kongress nicht lange auf sich warten lassen würde. Nach der Antiterrorgesetzgebung drohen bei sogenannter Terrorpropaganda zwischen einem und fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Türkisches Verfassungsgericht: „Bijî Serok Apo“ keine Straftat

Auf wenn das Skandieren von „Bijî Serok Apo“ nach Auffassung des türkischen Verfassungsgerichts keine Straftat darstellt, kommt es in der Türkei regelmäßig zu Ermittlungsverfahren. In einem Urteil vom März 2020 bekräftigte das oberste türkische Gericht, dass die kurdische Parole von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. In dem Beschluss wird zudem darauf hingewiesen, dass die Unterstrafestellung von angeblicher Terrorpropaganda in dem Zusammenhang als vermeintlich abstraktes Gefährdungsdelikt das Potenzial habe, die verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten, insbesondere die Meinungsfreiheit, einzuschränken.

EGMR verurteilte Türkei 

Ende 2019 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei wegen Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung wegen des Skandierens der Parole „Bijî Serok Apo“. Geklagt hatten zwei Aktivisten, die zu Geldstrafen verurteilt worden waren. An den deutschen Gerichten herrscht dagegen Unklarheit darüber, ob das Skandieren von „Bijî Serok Apo“ einen Straftatbestand erfüllt.