Sêrt: Ko-Bürgermeister seit Monaten im Hausarrest

In der nordkurdischen Provinz Sêrt befinden sich die Ko-Bürgermeister*in Berivan Işik und die Ko-Bürgermeister*innen von Hawêl, Ramazan Sarsılmaz und Özden Gülmez sowie ihre Amtskollegin von Misirc seit fast neun Monaten unter Hausarrest.

Das Innenministerium hatte die gewählten Ko-Bürgermeister*innen von Sêrt (türk. Siirt), Berivan Helen Işık und Peymandara Turhan, die Ko-Bürgermeister*innen von Hawêl (Baykan), Ramazan Sarsılmaz und Özden Gülmez und von Misirc (Kurtalan), Baran Akgül und Esmer Baran, absetzen lassen. Anstelle der gewählten Politiker*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wurde der Gouverneur von Siirt, Ali Fuat Atik, der Landrat von Baykan, Mehmet Tunc und der Landrat Ihsan Emre Aydın als Zwangsverwalter ernannt. Die Ko-Bürgermeister*innen wurden am gleichen Tag unter dem Vorwurf der „Propaganda für eine Terrororganisation“, der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und der „Erniedrigung des Staates Türkei, seiner Institutionen und Organe“ festgenommen.

Die bei den Razzien festgenommenen Ko-Bürgermeister*innen Işık, Turhan, Sarsılmaz, Gülmez, Akgül und Baran, die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung von Sêrt, Eşref Tekin und Gülçin Konneş, sowie der gewählte Ko-Bürgermeister, dem das Mandat verweigert wurde, Resul Kaçar, wurden am 19. Mai 2020 dem Haftrichter vorgeführt. Während Turhan, Baran, Tekin, Konneş und Kaçar unter Meldeauflagen entlassen worden sind, wurden die übrigen Politiker*innen unter „Hausarrest“ gestellt.

Seit neun Monaten keine Anklage

Die Politiker*innen befinden sich seither im Hausarrest. Bis heute wurde keine Anklage gegen sie erhoben. Ihre politischen Aktivitäten sind jedoch durch ihre Festsetzung massiv eingeschränkt. Einsprüche der Anwält*innen gegen den Arrest wurden monatlich vom Gericht abgelehnt. Özden Gülmez sieht darin eine gezielte Politik: „Die Anklageschrift soll gar nicht fertiggestellt werden. Es handelt sich hier um eine Zermürbungstaktik. Wir sehen ganz klar, dass die Verfahren auf Befehl von oben stattfinden. Das ist mittlerweile sogar offiziell so. Wir haben seit dem ersten Tag nach unserer Wahl für die Menschen gearbeitet. Aber das dauerte nur ein Jahr. Es wurden fadenscheinige Anschuldigen produziert und die Ko-Bürgermeister*innen abgesetzt. Es gibt hier keine Straftat. Wenn es eine gäbe, wäre schon längst Anklage erhoben worden.“

Die HDP hatte bei den Wahlen am 31. März 2019 in Sêrt mit 48,36, in Hawêl mit 27,74 und in Misirc mit 50,08 Prozent gewonnen.