Rund fünf Wochen vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei sind vor der Parteizentrale der oppositionellen CHP in Istanbul Schüsse abgegeben worden. Die Istanbuler CHP-Vorsitzende Canan Kaftancıoğlu schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter von einem „bewaffneten Angriff“, der sich mutmaßlich gegen den Provinzverband ihrer Partei gerichtet habe.

Nach Angaben eines Polizeibeamten und eines Sicherheitsmitarbeiters seien sechs bis sieben Schüsse bei dem Vorfall abgefeuert worden, so Kaftancıoğlu. Das Gebäude sei aber nicht getroffen worden. Die Staatsanwaltschaft habe inzwischen Ermittlungen aufgenommen.

Das Gouverneursamt von Istanbul teilte mit, bei der Auswertung von Überwachungskameras sei festgestellt worden, dass Unbekannte auf einer nahegelegenen Autobahn aus einem Fahrzeug in die Luft geschossen hätten. Am Straßenrand seien zwei Patronenhülsen gefunden worden.

Erst vor einer Woche trafen mehrere Kugeln in Istanbul die Zentrale der IYI-Partei, eine Abspaltung der rechtsextremen MHP, die zusammen mit der CHP und weiteren Parteien die auch als „Sechsertisch“ bekannte „Allianz der Nation“ (Millet İttifakı) bildet. Die Polizei gab später bekannt, es habe sich um fehlgeleitete Schüsse des Wachmanns einer Baustelle gehandelt, der einen Dieb gejagt habe. Die IYI-Partei wertete den Vorfall dagegen als Drohung. Bei beiden Angriffen hat es keine Toten und Verletzten gegeben.

Schicksalswahl zwischen Autokratie und Demokratie

Am 14. Mai wählt die Türkei einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Viele Menschen im Land bezeichnen es als eine Schicksalswahl zwischen Autokratie und Demokratie, deren Ausgang die politische Lage in der gesamten Region und darüber hinaus über Jahre hinweg maßgeblich beeinflussen wird. Bei der Präsidentenwahl wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan und seinem Hauptkonkurrenten Kemal Kılıçdaroğlu erwartet – mit derzeit leichten Vorteilen für letzteren. Die HDP hat keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt und tritt unter dem Dach der Grünen Linkspartei zu den Parlamentswahlen an.