Die italienischen Behörden haben das zivile Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ am Sonntag nach einer elfstündigen Inspektion festgesetzt. Sea-Watch, United4Rescue und Ärzte ohne Grenzen erklärten: „Diese Inspektionen sind politisch motiviert und dienen allein dem Zweck, Rettungsoperationen zu verhindern.“ Bemängelt wurde unter anderem, dass das Schiff „zu viele“ Rettungswesten an Bord habe und das Abwassersystem nicht für die Anzahl der Geretteten ausgelegt sei. Die Küstenwache beanstandete zudem, dass die „Sea-Watch 4“ einen „systematischen Such- und Rettungsdienst“ leiste, für den sie nicht zertifiziert sei.
Tatsächlich hatten die deutschen Behörden dem Schiff erst im Juli bestätigt, es erfülle alle Sicherheitsvorgaben des deutschen Flaggenstaates. Die „Sea-Watch 4“ war am 2. September im Hafen von Palermo eingelaufen und hatte 353 gerettete Flüchtlinge an eine Quarantänefähre übergeben. Auch die Crew befand sich für zwei Wochen in Quarantäne.
Evangelische Kirche: Wer Seenotrettung behindert, nimmt Ertrinken billigend in Kauf
Der Vorsitzende des Rats der evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, verurteilte das Vorgehen der italienischen Behörden scharf und fordert: „Lasst die Schiffe frei!“ Mit der „Sea Watch 4“ werde bereits das fünfte zivile Seenotrettungsschiff in fünf Monaten blockiert. Der EKD-Ratsvorsitzende weiter: „Unter dem Vorwand der Schiffssicherheit soll ganz offensichtlich die Rettung von Menschen aus Seenot verhindert werden.“ Wer Seenotrettung behindere, nehme „billigend in Kauf, dass Menschen ertrinken“.
Ärzte ohne Grenzen: Inspektionen als Mittel, um Rettungseinsätze zu blockieren
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die am Einsatz der „Sea-Watch 4“ beteiligt ist, kritisierte nach der Festsetzung des Schiffs die Missachtung internationalen Seerechts durch die italienischen Behörden. Die Organisation erklärte: „Inspektionen haben sich zu einem erfolgreichen Weg entwickelt, um die Einsätze von Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer zu blockieren“. Ellen van der Velden, die Leiterin der für die Seenotrettung zuständigen Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen, sagte weiter: „Wann immer ein Seenotrettungsschiff einen italienischen Hafen ansteuert, wird es solange einer völlig übereifrigen Untersuchung unterzogen, bis einige nichtige Unregelmäßigkeiten gefunden werden.“
Zu der Behauptung, das Abwassersystem reiche nicht aus, erklärte van der Velden: „Dass es die Pflicht jedes Schiffes ist, Hilfe für Schiffe zu leisten, die sich in Seenot befinden, wird hierbei komplett ignoriert. Die Behörden treiben ein schmutziges Spiel, indem sie versuchen, humanitäre Organisationen zu diskreditieren, um ihre Einsätze zu verhindern.“ Dies geschehe nicht allein in der Verantwortung Italiens, die anderen EU-Staaten stünden hinter diesem Vorgehen.
Christian Katzer: „Moralisch grundfalsch“
Der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, Christian Katzer, beschrieb die Politik der EU als „menschenverachtend“ und forderte eine „klare Kurskorrektur“. Katzer weiter: „Die Vorgänge auf dem Mittelmeer und auf den griechischen Inseln machen überdeutlich: Die bisherige Strategie ist nicht nur moralisch grundfalsch, sie funktioniert auch nicht.“