Zwölf Studierende wurden wegen des Zeigens von Regenbogenfahnen als Zeichen der Beteiligung der LGBTI+-Bewegung an den Protesten an der Boğaziçi-Universität in Istanbul am Donnerstag vor Gericht gestellt. Das Schwurgericht entschied, die Meldeauflagen für die Studierenden teilweise aufzuheben, das Verbot, die Türkei zu verlassen, bleibt aber bestehen. Der Anwalt der Studierenden, Levent Pişkin, erklärte im Verfahren: „Die gerichtlichen Kontrollmaßnahmen, die seit vier Monaten in Kraft sind, haben den Charakter einer Strafe bekommen. Wir fordern die sofortige Aufhebung der Maßnahmen.“ Der nächste Prozesstag ist für den 28. Juni angesetzt.
„Eure Repression ist gescheitert”
Bevor die Anhörung im Istanbuler Gerichtsgebäude in Çağlayan stattfand, gab die Boğaziçi-Solidaritätsplattform eine Presseerklärung ab. Die Plattform erklärte: „Unsere Proteste hier vor dem Gericht sind weder die ersten noch werden es die letzten sein. Das wissen wir, aber wir schreien dennoch laut heraus, dass wir niemals von der Verteidigung unseres Existenzrechts zurücktreten werden, nicht einmal für einen Tag.“
Die Plattform betonte, dass „LGBTI+-Aktivist:innen eine der Gruppen sind, die den Kampf seit dem ersten Tag des Boğaziçi-Widerstands unterstützt haben und die im Laufe der Proteste den meisten Angriffen ausgesetzt waren. Wir als LGBTI+ haben immer wieder gezeigt, dass die Repression gegen uns gescheitert ist; sie hat aber dafür gesorgt, uns noch stärker zusammenzuschweißen, anstatt uns zu spalten.“
„Ihr werdet euch an uns gewöhnen müssen“
In Bezugnahme auf die Schließung des LGBTI+ Studies Club (BÜLGBTI+) nach der Ernennung des Zwangsverwalters Melih Bulu als Rektor erklärte die Plattform: „Ihr dachtet, dass ihr unseren Club geschlossen habt, aber wir antworteten: Jeder Club ist BÜLGBTI+. Ihr habt unsere Fahnen mit euren Medien, die ihr benutzt, um das Land zu ersticken, angegriffen, wir haben die Plätze und Straßen mit unseren Farben geschmückt. Ihr habt unsere Pride-Märsche ins Visier genommen, wir haben uns in unserer Pride-Woche gegen euch erhoben, um zu schreien, dass wir keine Angst vor euren Angriffen haben.
Ihr habt versucht, uns an der Ausübung unseres Rechts auf Protest zu hindern, durch die Verbote, die vom Landratsamt Tag zuvor verhängt wurden; aber wie ihr seht, sind wir wieder hier. Ihr werdet euch an unsere Existenz gewöhnen, ihr werdet euch damit abfinden müssen, denn wir sind hier und wir gehen nirgendwo hin.“
„Wir werden unsere Existenz verteidigen“
Weiter heißt es: „Wer kann behaupten, dass wir in diesem Land ein Recht auf Leben haben - in einem Land, in dem versucht wird zu kriminalisieren, wenn LGBTI+ angesichts jahrhundertelanger Verfolgung auf die Straße gehen und die Regenbogenfahne zeigen. Die LGBTI+-Community existiert weiterhin und hat ihre Existenz gegenüber den Kräften verteidigt, die versuchen, sie bei jeder Gelegenheit zu zerschlagen.“
„Ihr könnt den Regenbogen nicht auslöschen“
In Bezug auf das Verfahren erklärten die Studierenden: „Wir sind heute hier, um auszurufen, dass unsere Freund:innen, die illegal vor unserem Campus wegen einer Regenbogenfahne in der Hand festgenommen wurden, niemals allein sein werden.
Ihr könnt uns nicht daran hindern, auch nur einen Tag lang wir selbst zu sein. Keine Wolke, kein Wind und keine faschistische Diktatur kann es schaffen, den Regenbogen vom Himmel zu tilgen. Wir werden weiterhin mit allen unseren Farben leuchten und die Dunkelheit, die ihr über uns bringen wollt, ertränken. Unsere Existenz lässt sich nicht verbieten, LGBTI+ können nicht zum Schweigen gebracht werden, und der Regenbogen lässt sich nicht verbieten.“